Rappbodetalsperre Hängebrücke an der Rappbode-Talsperre: Parknot an der TitanRT im Harz

Thale - Das Dilemma ist nicht zu übersehen. Wer mit dem Auto auf der Landstraße 96 unterwegs zur nahen Rappbodetalsperre ist, braucht nur einen Blick auf die Seitenstreifen zu werfen: Dort wo gerade keine Autos stehen, sind überall tiefe Spurrillen erkennbar. Es sind die Hinterlassenschaften eines Problems, das in direktem Zusammenhang mit der neuesten Attraktion im Harz steht: der Hängeseilbrücke, die parallel zur Staumauer den Auslauf des Staubeckens überspannt und an Wochenenden tausende Besucher anzieht.
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Und die kommen meist mit dem Auto, das oft dort abgestellt wird, wo es nicht hingehört: trotz Parkverbot über Hunderte von Metern am Fahrbahnrand der L 96 oder gleich im Wald. Seit Eröffnung dieser Fußgängerbrücke der Superlative im Mai ist es mehrfach zu großen Verkehrsproblemen gekommen.
Harzdrenalin: Hängebrücke TitanRT über der Rappbode-Talsperre zieht viele Besucher an
Ob sie nun nach Angaben der Betreibergesellschaft „Harzdrenalin“ mit 458,5 Metern die „weltweit längste Hängebrücke ihrer Art“ ist oder nur noch die zweitlängste, weil am Wochenende eine noch etwas längere Überquerung in der Schweiz eröffnet wurde, ist egal: Die Besucher strömen zu Tausenden an die Rappbodetalsperre. Genaue Zahlen will Stefan Berke, der mit seinem Bruder Maik „Harzdrenalin“ leitet, noch nicht nennen. Aber: „Wir sind zufrieden“.
Dass das Geschäft brummt, ist offensichtlich: Die Besucher kommen aus allen Teilen Deutschlands, der Schweiz und Österreichs. Wer in Spitzenzeiten von der Westseite auf die Hängeseilbrücke will, muss Zeit mitbringen: Es kann eine Stunde und länger dauern, bis die Drehtür den Weg freigibt zu dem schaukelnden Nervenkitzel. „Pfingsten haben wir zweieinhalb Stunden gewartet“, sagt Rudolf Finck, der am Wochenende noch einmal aus Wolfenbüttel angereist ist. „Aber das Ganze ist schon eine gute Sache“, meint er.
Die Parkplätze an der Hängebrücke TitanRT im Harz sind knapp
Es könnte eine noch bessere werden, wäre der Ärger mit dem Parken nicht. Tatsächlich scheint es mittlerweile drei offizielle Stellflächen zu geben, diesen Rückschluss lässt die spärliche Beschilderung zu. Einen mittelgroßen direkt am Haupteingang, einen kleinen am anderen Ende der Staumauer und einen viel größeren Platz etwa 900 Meter in Richtung Wendefurth.
Samstagnachmittag 13 Uhr: schönes Sommerwetter, nicht zu warm, ein paar Wolken am Himmel. Auf der Hängeseilbrücke ist viel los, dennoch ist vor allem auf dem am weitesten entfernt gelegenen Parkplatz noch genügend Platz. An dem Tarif von zwei Euro für den ganzen Tag kann es nicht liegen. „Nein, viele Autofahrer würden am liebsten mit ihrem Auto bis zum Haupteingang der Hängebrücke fahren“, sagt einer der Parkwächter, der namentlich nicht genannt werden will.
Tatsächlich kommen sie nur wenige hundert Meter weiter und parken dann wild durcheinander: So ragt das Heck eines Volvos aus Göttingen in einer Kurve in die Fahrbahn hinein, ein Kleinwagen droht in den Straßengraben abzukippen, der Fahrer eines Mercedes hat mitten im Morast einen Stellplatz gefunden.
„Wir haben direkt hinter anderen Autos am Straßenrand geparkt. Ich denke, an der Stelle war keine Halteverbot“, sagt Anja Redlich aus dem Saalekreis. „Aber wir hätten auch einen längeren Fußweg bis zur Brücke in Kauf genommen, wenn wir gewusst hätten, wo die Parkplätze sind“, versichert sie.
Auch am Sonntag gegen 13 Uhr ist richtig viel los rund um die Hängeseilbrücke - und nun reichen die Parkflächen bei weitem nicht mehr aus. Autofahrer tasten sich im Schritttempo bis zur Schranke am Parkplatz neben dem Haupteingang heran, sehen dann, dass alles besetzt ist, drehen mitten auf der Straße, es kommt zu Staus. Die Randstreifen sind längst alle „belegt“. Dazwischen Dutzende von Motorradfahrern, für die die Rappbodetalsperre schon immer ein besonderes Ziel war. Also eine Geduldsprobe vor dem Nervenkitzel.
Schlechte Beschilderung an der Hängebrücke TitanRT an der Rappbode-Talsperre im Harz
Ein Grund für den regelmäßigen Wirrwarr ist die miserable Beschilderung. Autofahrer brauchen schon Pfadfinderqualitäten, um zu erkennen, wo sich überall Parkplätze befinden. So irren sie oft umher und werden auch unfreiwillig zu Falschparkern.
Investoren und Behörden arbeiten an Lösungen. So kündigt der Harzkreis für die nächste Zeit eine „verkehrsbehördliche Anordnung“ an. Ein Parkleitsystem dürfte zwingend sein. Die Polizei ist regelmäßig vor Ort, ermahnt Autofahrer und verteilt Knöllchen, wenn die es zu bunt treiben. Frühestens im Jahr 2018 soll der Besucherparkplatz um 240 Plätze erweitert werden. Der Landesforstbetrieb stellt 8.000 Quadratmeter Wald zur Verfügung.
Ein Unding, schimpft der „Arbeitskreis hallesche Auenwälder“, es werde leichtfertig Wald geopfert. Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) bescheinigt den „Harzdrenalin“-Investoren dagegen ein „sehr nachhaltiges Konzept, das sich hier in die Landschaft einfügt“. Das Genehmigungsverfahren läuft.
Jeder Investor, der etwa ein Lokal bauen will, muss bei den Behörden nachweisen, dass es genügend Parkplätze gibt. Warum ist dies nicht bei der Riesen-Hängeseilbrücke geschehen? Nachfragen führen zu keinem klaren Ergebnis, lassen aber vermuten, dass etwas gehörig schief gelaufen ist.
Die Betreiber der Brücke sehen sich als Opfer. „Wir haben die Behörden schon vor Jahren gewarnt, dass die vorhandenen Parkplätze nicht ausreichen“, sagt Stefan Berke. Geschehen aber sei lange Zeit nichts. Der Harz-Kreis legt auf MZ-Anfrage die Spur in Richtung Stadt Oberharz. Dort hätte lange Zeit die notwendigen planungsrechtlichen Voraussetzungen gefehlt.
Wie ist die Stimmung an der Hängebrücke TitanRT im Harz?
„Wir lassen auf das Projekt nichts kommen“, sagen zwei Mitarbeiterin von „Harzdrenalin“ in ihrer Mittagspause. Die Investition stärke die Region.
So sieht das auch die Verkäuferin in einem Imbiss an der L 49. Bratwurst 2,50 Euro, mit Brötchen 3,50 Euro, Apfelschorle 0,5 Liter zu 1,50 Euro. Das Geschäft hat erst seit wenigen Wochen offen und scheint sich zu rechnen. Claudia Schmidt stellt die Erfahrungen in einen größeren Rahmen: „Die Hängebrücke ist ein Leuchtturmprojekt“, sagt die Geschäftsführerin des Harzer Tourismusverbands. Die Brücke trage zum Imagewandel des Harzes bei. Was dem Leuchtturm fehlt, sind jetzt wohl nur noch mehr Parkplätze. (mz)
