Freisprechung Freisprechung im Thalenser Rathaus: Metall-Gesellen erhalten ihre Abschlussszeugnisse

Thale - Dreieinhalb Jahre sind eine lange Zeit, gerade für junge Menschen. So lange dauert jedoch die Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker. Genauso sieht es beim Industrie-, Konstruktions- und Werkzeugmechaniker aus.
28 Auszubildende aus diesen Berufen haben am Donnerstag bei der Freisprechung im Thalenser Rathaus ihre Facharbeiterzeugnisse entgegengenommen. Sie lernten bei 14 Betrieben in der Region sowie im Bildungs- und Technologiezentrum zu Thale und Aschersleben (BTZ).
Freisprechung bedeutet: Gesellen starten in Selbstständigkeit
Der jahrelange Einsatz zahlt sich aus, fand Dieter Steffen, Vorstandsvorsitzender der BTZ-Stiftung. „Das Wort Freisprechung rührt daher, dass die Gesellen vom Meister freigesprochen, also entlassen werden in die Selbstständigkeit“, erläuterte er den anwesenden Eltern, Großeltern und Vertretern der Ausbildungsbetriebe im großen Saal des Rathauses.
Daran, dass es beim Abschluss der Ausbildung um Selbstständigkeit gehe, habe sich seit der Prägung des historischen Wortes wenig geändert. „Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass es nicht selbstverständlich war, so selbstständig zu sein“, merkte Steffen an.
Um den Jahrtausendwechsel herum hätten viele Unternehmen im Harz auf fünf offene Stellen mehr als 100 Bewerbungen erhalten. „Heute sind es meistens eher zwei oder drei.“ Während bei den Firmen also häufig Stellen unbesetzt blieben, könnten sich die Auszubildenden heutzutage aussuchen, wohin die Reise geht.
In den frühen 2000er Jahren verließen viele junge Leute die Region
Weil sie vor Ort keine Lehrstellen fanden, seien in den frühen 2000er Jahren viele junge Menschen aus der Region in andere Teile Deutschlands aufgebrochen. Diese versuchen die Behörden nun zurückzugewinnen, etwa der Landkreis mit seiner Initiative „Zuhause im Harz“. „Aber
wer einmal woanders Fuß gefasst hat, der wird nicht zurückkommen“, schätzte Steffen. Und fügte an die Auszubildenden in den Stuhlreihen vor sich hinzu: „Sie möchten wir gern hierbehalten.“
Alle Türen stünden denen offen, die sich dafür entscheiden, stimmte Jennifer Heinrich zu. Sie leitet beim Landkreis Harz den Fachdienst Standortförderung und ist Ansprechpartnerin für die Harzer Wirtschaft. „Es gibt heute viele Betriebe, die händeringend gute Mitarbeiter suchen“, betonte sie. Den jungen Fachkräften gab sie als Ratschlag mit auf den Weg, nicht stehenzubleiben, sondern sich weiter zu qualifizieren.
Samira Schlächter: Wer ein Ziel hat, sollte sich nicht bremsen lassen
Samira Schlächter aus der Wernigeröder Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer Magdeburg machte den Auszubildenden Mut, ihren eigenen Weg zu gehen und sich von niemandem reinreden zu lassen. „Es ist noch nicht lange her, dass ich mich mit meinen Eltern über meine Ausbildung gestritten habe“, berichtete sie aus ihrer eigenen Erfahrung.
„Ich erinnere mich noch gut daran, dass sie wollten, dass ich Beamte werde und 40 Jahre am Stück in irgendeiner Behörde arbeite.“ Stattdessen habe sie einen Studiengang gewählt, den ihr Vater mit „nichts Vernünftiges“ betitelt hatte, und habe für ihren eigenen Willen gekämpft.
„Selbst wenn die Kritiker aus dem Freundeskreis oder der eigenen Familie kommen - man sollte sich nicht von ihnen bremsen lassen“, riet Schlächter.
Bedarf an Mechanikern ist seit Jahrzehnten hoch
Mit Vollgas können die 27 jungen Männer und eine junge Frau ins Arbeitsleben starten, so Ausbilder Jörg Lucke. „Die Metallberufe sind für die Ausbildung eine sehr gute Wahl“, erklärte er. Während er in anderen Berufen ein Auf und Ab bei der Nachfrage aus den Betrieben feststelle, sei der Bedarf an Mechanikern in den Firmen der Metallbranche seit Jahrzehnten groß.
Ein paar der frischgebackenen Facharbeiter kündigten bereits an, ihren Betrieben die Treue halten zu wollen. Zu den ausbildenden Unternehmen zählten Injection Alloys, Mertik Maxitrol, MFT, Schunk und Thaletec aus Thale, Hüttner aus Ballenstedt, Synova aus Harzgerode sowie WfW Umformtechnik und die Oskar-Kämmer-Schule in Quedlinburg.
Lucke appellierte an diejenigen, die sich vorstellen können, eines Tages selbst als Ausbilder im BTZ oder einer anderen Einrichtung tätig zu sein, nicht lange zu überlegen, sondern den nächsten Schritt zu gehen. „Sicher habt ihr während der Ausbildung gemerkt, ob euch so etwas Spaß machen könnte oder nicht“, sagte er. Vom demografischen Wandel sei das Bildungszentrum nicht verschont geblieben: Mittlerweile liege der Altersschnitt unter den Ausbildern jenseits der 50 Jahre.
Beim Blick nach vorn, wünschte sich Ausbilder Bernd Rößler, sollten die Freigesprochenen die Eigenschaften nicht vergessen, die sie so weit gebracht haben: „Ehrlich, kollegial, höflich und trotzdem kämpferisch.“ Wenn sie so blieben, sehe er für den Start in den Beruf keine Schwierigkeiten. (mz)