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Domschatz Domschatz Halberstadt präsentiert 500 Jahre alten Heiltumsschrein: Ein Tresor für kostbare Reliquien

Von Rita Kunze 19.06.2020, 13:56
Restaurator Hartmut Meier öffnet den Heiltumsschrein im Halberstädter Domschatz. Das rechts präsentierte Gemälde war früher Teil des Schreins.
Restaurator Hartmut Meier öffnet den Heiltumsschrein im Halberstädter Domschatz. Das rechts präsentierte Gemälde war früher Teil des Schreins. Kunze

Halberstadt - Hartmut Meier hat sich Arbeitshandschuhe übergestreift, greift zum Schraubendreher und macht sich ans Werk, das „Fort Knox von Halberstadt“, wie er es nennt, zu öffnen: ein rund 500 Jahre alter Tresor aus Eichenholz, rundum mit Metallplatten beschlagen, fast eine Tonne schwer und mit neun Schlössern versehen.

Die Auftraggeber dieser monströs anmutenden Konstruktion wollten augenscheinlich sichergehen, dass das, was sich darin befindet, auch dort bleibt. Die Halberstädter Domherren haben in ihrem „Heiltumsschrein“ Schätze von höchstem Wert, in Gold und Edelsteine gehüllte Reliquien - Gebeine oder andere Dinge, die mit Heiligen in Verbindung gebracht wurden -aufbewahrt.

Aufschließen konnte den Schrank kein Mann alleine; die dafür benötigten Schlüssel wurden von mehreren aufbewahrt. Eine Sicherheitsmaßnahme zum Schutz des Schatzes, sagt Uta-Christiane Bergemann, Museumsdirektorin des Halberstädter Domschatzes.

Tresor im Format eines Kleinbusses wirft Fragen auf

Gemeinsam mit Hartmut Meier, dem Restaurator der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, präsentierte Bergemann am Montag das imposante Ausstellungsstück bei einem Treffen von Journalisten und Gästeführern in der Ausstellung des Kirchenschatzes.

Bei den meisten Besuchern werfe das Objekt eher Fragen auf, hieß es. „Weil dieser Schrank aus dem 16. Jahrhundert aber nicht nur einzigartig ist, sondern auch von der Nutzung des Domschatzes über Jahrhunderte berichtet“, sollte er am Montag im Blickpunkt stehen. Eine seltene Gelegenheit, Einblick in das Innenleben des sonst fest verschlossenen Schranks zu bekommen.

Nun, zu sehen gibt es da für den Laien wenig, eigentlich - nichts. Der Schrank ist leer. Aber mit etwas Fantasie lässt sich erahnen, welche Bedeutung dieser Tresor im Kleinbusformat für die Menschen des Mittelalters und späterer Zeit gehabt haben muss.

Vor azurblauem Hintergrund erstreckte sich ein Sternenhimmel

Denn ein kleiner Streifen blauer Farbe ist ein Überbleibsel der damals prachtvollen Innengestaltung. „Das Blau ist nur erhalten geblieben, weil eine Leiste drauf genagelt war“, sagt Meier. Vor azurblauem Hintergrund erstreckte sich vor Jahrhunderten ein Sternenhimmel, geschaffen aus vielen kleinen, goldglänzenden Zinnsternen, von denen einige bis heute erhalten geblieben sind.

Davor funkelte der Reliquienschatz des Domes. „Der Schrein ist schlicht, aber es muss prachtvoll ausgesehen haben, wenn er geöffnet war“, sagt die Museumsdirektorin. Das war an hohen Festtagen der Fall. Dann wurde das „Heiltum“ sichtbar:

„Das überhöhte Mittelteil scheint passgenau für die vier kostbaren Armreliquiare, die im geöffneten Zustand präsentiert worden sind“, sagt Claudia Wyludda von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt.

„Die übrigen Reliquiare fanden in den niedrigeren horizontalen Fächern einen würdigen Platz. So zeigte dieser Schrank die Kostbarkeiten des Domschatzes, die heute in der Schatzkammer zu besichtigen sind.“

Vergoldete Zinnsterne glänzten am Himmel der Heiligen

Die Menschen im Mittelalter glaubten an die Präsenz der Heiligen „noch in ihrem kleinsten Körperpartikel“, sagt Wyludda. „Daher schuf man im Innern des Schrankes eine Art Heiligenhimmel und schmückte die Wände mit blauer Farbe im Hintergrund und aufgesetzten vergoldeten Zinnsternen. Ein ganz sicher imposanter Anblick, der den Menschen des 16. Jahrhunderts in seiner Frömmigkeit sehr beeindruckt haben mag.“

Nahe kommen durfte den Heiligtümern freilich nicht jeder. Seit dem 16. Jahrhundert stand der Schrein auf dem Altar im Hohen Chor des Domes, der nur den Chorherren zugänglich war. Ein geschlossener Bereich.

Das „normale“ Volk konnte einen Blick auf die Reliquien wahrscheinlich aus einiger Entfernung durch die Chortüren erhaschen. Ob diese Türen auch geöffnet wurden, weiß man nicht. „Dazu fehlen uns die Unterlagen“, sagt die Museumsdirektorin.

Gästeführer sollen künftig die Funktion des Schrankes genau beschreiben

Für die Gästeführer war die Öffnung des Heiltumsschreins eine Premiere, die sie in die Lage versetzen soll, in ihren Führungen die Funktion des Schrankes genau beschreiben zu können. Und Museumsdirektorin Uta-Christiane Bergemann nutzte die Gelegenheit, mit der Öffnung eine zweite Folge für das Online-Seminar an der Bochumer Ruhr-Universität aufzunehmen.

Dort arbeiten Studenten des Fachbereichs Kunstgeschichte zu mittelalterlicher Schatzkunst am Beispiel des Halberstädter Domschatzes. Durch das Video erfahren sie nun mehr über die Verwahrung und Inszenierung der kostbaren Stücke.

Hartmut Meier kennt den Heiltumsschrein wie wohl kaum ein anderer. Seit 1998 hat sich der Restaurator mit dem Schrank beschäftigt, der am Montag erst zum dritten Mal seit 2008 geöffnet wurde. „Ich bearbeite viele Möbel, und an den meisten gibt es Veränderungen“, sagt er. Hier sei das nicht der Fall.

„Das Klima ist stabil, wir haben hier eine komfortable Situation“, sagt er über die räumlichen Bedingungen mit einer steten Luftfeuchtigkeit von 55 bis 60 Prozent. Der Zustand des Schreins werde ständig überwacht. Ergebnis: „Er ist an dieser Stelle zur Ruhe gekommen.“ (mz)

Einer der originalen Zinnsterne, die das Innere des Heiltumsschreins schmückten.
Einer der originalen Zinnsterne, die das Innere des Heiltumsschreins schmückten.
Kulturstiftung
Die Armreliquiare aus dem Domschatz Halberstadt gehörten zu den Kostbarkeiten, die seit dem 16. Jahrhundert im Heiltumsschrein verwahrt und präsentiert worden sind.
Die Armreliquiare aus dem Domschatz Halberstadt gehörten zu den Kostbarkeiten, die seit dem 16. Jahrhundert im Heiltumsschrein verwahrt und präsentiert worden sind.
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt