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Von Trümmerlaster zu Taxis Die Heinzigs aus Thale sind mit ihrem Familienbetrieb seit 75 Jahren für Kunden auf Achse

Welche bewegte Geschichte hinter der Firma liegt und wie sie heute arbeitet.

Von Benjamin Richter 24.09.2021, 14:00
Helmut Heinzig, der die Geschicke des Familien-Taxibetriebs von den Sechziger- bis in die Neunzigerjahre lenkte, im Opel Olympia.
Helmut Heinzig, der die Geschicke des Familien-Taxibetriebs von den Sechziger- bis in die Neunzigerjahre lenkte, im Opel Olympia. Fotos (2): Sammlung Marco Heinzig

Thale/MZ - In wenigen Klarsichthüllen bewahrt Marco Heinzig die Papiere auf, die von den Anfängen des von ihm geführten Taxiunternehmens zeugen. Die Genehmigung zum Fuhrbetrieb, die das Bezirkshandelsamt Dessau seinem Urgroßvater Erich Heinzig im September 1946 ausstellte, ist dabei nicht einmal das älteste Dokument: Ganz am Anfang stand rund fünf Monate zuvor ein Kaufvertrag für einen Lastkraftwagen der Marke Büssing und einen Bleichert-Dreiachsanhänger. Heinzig, der in der Neinstedter Chaussee in Thale wohnte, kaufte die Fahrzeuge von einem Mann aus der nahe gelegenen Rübchenstraße, bezahlte dafür 15.000 Reichsmark - und legte den Grundstein für ein Familienunternehmen, das mittlerweile seit einem Dreivierteljahrhundert besteht.

Von Taxis war in den Anfangsjahren - einer Zeit, die vom Wiederaufbau nach dem Weltkrieg geprägt war und in der im erst besetzten, später geteilten Deutschland noch keine halbe Million Autos auf den Straßen unterwegs waren - nicht die Rede. Mit dem Transport von Gütern, angefangen bei Trümmern über Metallwaren, Kohle, Umzugsgut und Getreide bis hin zu Kulissen für die „Städtischen Bühnen“ - das heutige Bergtheater -, kamen Heinzig und seine Mitarbeiter, zu denen schon früh seine Söhne Wolfgang und Helmut zählten, den Nöten und Wünschen der Zeit näher. Daraus, dass die beiden ersten Lkw „schon damals einen Platz im Verkehrsmuseum verdient hätten“, macht eine Festschrift aus dem Jahr 2006 keinen Hehl. Den Aufträgen, zu denen auch das Befördern von Wasser auf den Hexentanzplatz gehörte, bevor in den Siebzigerjahren eine Leitung verlegt wurde, tat das der Überlieferung nach aber keinen Abbruch.

Von Stöver über Opel zu Lada

Im Lauf der Fünfzigerjahre erweiterte sich die Firma „Heinzig & Söhne“ dann um den Taxenbetrieb. Wenige Jahre später folgten Helmut Heinzig und seine Frau Margarete dem Unternehmensgründer auf der Position des Geschäftsführers nach und bauten diesen Bereich weiter aus. Der Gütertransport trat immer weiter in den Hintergrund, bis die Heinzigs die Lastwagen im Jahr 1969 verkauften und dieses Kapitel abschlossen.

Als reiner Taxenbetrieb, heißt es in einer Firmenchronik, schrieb das Unternehmen Heinzig mit seinen Fahrzeugen „auch ein Stück Automobilgeschichte“: Auf einen Stöver folgten demnach die Opel-Modelle Olympia und Kapitän, ein BMW und ein EMW, bevor mit Moskwitsch, Lada, Wartburg und Wolga „in eine neue Zeit“ gegangen wurde. Dass Taxi Heinzig zu DDR-Zeiten der Übernahme durch den VEB „Kraftverkehr“ entging, verdankte die Firma einer prozentualen Abgabe der Umsätze.

Firmengründer Erich Heinzig und Gattin Hildegard vor einem Lastwagen des ursprünglichen Fuhrunternehmens, in dem die Söhne früh mit anpackten.
Firmengründer Erich Heinzig und Gattin Hildegard vor einem Lastwagen des ursprünglichen Fuhrunternehmens, in dem die Söhne früh mit anpackten.
Foto: Sammlung Marco Heinzig

Während man die Taxifirmen in Thale vor der Wende an einer Hand abzählen konnte, seien sie Anfang der Neunzigerjahre wie Pilze aus dem Boden geschossen, blickt Marco Heinzig zurück. „Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass ein Auto mit Taxameter alles ist, was man dafür braucht“, gibt er zu bedenken. Wenn es etwa bei der Kundenakquise schlecht laufe, komme im Zweifel nicht genug Geld in die Kasse, um die laufenden Kosten zu decken. So erklärt sich der Geschäftsführer in vierter Generation, dass inzwischen die meisten der um 1990 neu gegründeten Taxibetriebe im Ostharz nicht mehr am Markt sind. Taxi Heinzig, das als ältestes ortsansässiges Taxiunternehmen im Jahr 1992 an Helmuts Sohn Reinhard Heinzig als neuem Chef übertragen wurde, ist ein solches Schicksal erspart geblieben.

Funkzentrale für Kuriere

Mit einer Ausbildung zum Kfz-Schlosser bei einem Blankenburger Autohaus hatte sich der Enkel des Firmengründers zuvor die praktische Grundlage zur Leitung des Betriebs angeeignet. Am Schwerpunkt, der Personenbeförderung, rüttelte er nicht - führte jedoch das Projekt einer Funkzentrale in der Bahnhofstraße zur Vollendung, von der aus seit 1996 die Mitarbeiter an ihre Einsatzorte dirigiert werden. Das Angebot der Firma baute der Geschäftsführer in der Folge um Kleintransporte und Kurierfahrten aus. Seinem Sohn Marco, der ab 2001 mit der Gründung der Heinzig Transporte an die Tradition von Erich Heinzig anknüpfte, legte Reinhard Heinzig keine Steine in den Weg. Wegen der wirtschaftlichen Situation wurde die Firmentochter jedoch im Herbst 2019 aufgelöst, Marco Heinzig wechselte in die Buchhaltung von Taxi Heinzig. Seit Anfang dieses Jahres steht er selbst in der vierten Generation an der Spitze des Familienbetriebs (die MZ berichtete).

Heute ist das älteste Auto der Thalenser Firma ein Wartburg. Auch fünf modernere Kleinbusse gehören zur Flotte.
Heute ist das älteste Auto der Thalenser Firma ein Wartburg. Auch fünf modernere Kleinbusse gehören zur Flotte.
Foto: Kühn/Taxi Heinzig

„Es war ein reibungsloser Übergang“, fasst Marco Heinzig die ersten neun Monate als Chef zusammen. „Ich habe ja nicht komplett neu im Betrieb angefangen, sondern wurde mehr als ein Jahr lang in alle Abläufe eingewiesen und kenne meine Mitarbeiter gut.“ 16 Angestellte hat das Unternehmen derzeit, unter den Fahrzeugen finden sich fünf Pkw, fünf Kleinbusse und drei Transporter für kleinere Güter.

Durch die Corona-Krise sei die Firma verhältnismäßig gut gekommen - am härtesten, erklärt Marco Heinzig, sei die Zeit gewesen, in der die Schulen geschlossen waren. Denn vier bis fünf Taxis mit dem aufgedruckten Versprechen „... auf die nette Tour!“ seien jeden Morgen zu Schulen unterwegs. Der Rest der Aufträge setze sich aus Krankenfahrten, Rollstuhltaxis, einem Shuttleservice für Firmenkunden sowie dem Transport zu und von Feierlichkeiten zusammen, wobei Taxi Heinzig Partner aller Krankenkassen und der Aktion „Fifty-fifty-Taxi“ sei. Gelegenheitsfahrten, etwa für Urlauber, machten hingegen nur rund 15 Prozent der Arbeit aus, merkt Heinzig an.