Gassi gehen nur mit Ausweis Cockerspaniel-Mischling gilt nach Rangelie mit anderem Hund von Amts wegen als gefährlich:

Ballenstedt - Wenige Minuten am 1. November 2018 haben den Alltag von Klaus Gebhardt und seiner Frau grundlegend verändert. Denn seitdem gilt ihre Mischlingshündin Bella als gefährlicher Hund. Vorausgegangen war eine Rangelei mit einem Artgenossen.
Rund 1.000 Euro hat das Ballenstedter Ehepaar seitdem für Kostenbescheide von Ämtern und Tierarztrechnungen gezahlt. Ganz normal „Gassi gehen“ können Gebhardts mit ihrem Hund nicht: „Meine Frau muss dafür immer ihren Personalausweis und das Schreiben vom Ordnungsamt mitnehmen“, sagt Klaus Gebhardt.
Er hat eine Bescheinigung beantragt, die ihm erlaubt, mit Bella unterwegs zu sein - denn das darf bis jetzt nur seine Frau. Sie hat nach dem Vorfall eine Sachkundeprüfung für Hundehalter absolviert und vom Ballenstedter Ordnungsamt die „Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes“ erhalten.
Bella, die, so Gebhardt, bis dato nie auffällig war, ist ein Cockerspaniel-Mischling. Per Gesetz gelten in Sachsen-Anhalt Pitbull-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, American Staffordshire-Terrier und Bullterrier als gefährliche Hunde.
Es kann aber auch andere treffen: „Hunde können unabhängig ihrer Rasse aufgrund ihres Verhaltens auch als gefährlich angesehen werden“, erklärt dazu das Landesverwaltungsamt. „Ein gefährdendes Verhalten liegt vor, wenn der Hund eine gesteigerte Aggressivität aufweist und insbesondere Menschen oder Tiere gebissen oder sonst eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft (Angriffslust oder Aggressivität) gezeigt hat. Diese Gefährlichkeit wird von Amts wegen geprüft.“
Klaus Gebhardt fühlt sich durch die Einstufung seines Hundes kriminalisiert
„Im Rechtssinn ist unser Hund lebenslang als gefährlich eingestuft“, sagt Klaus Gebhardt, der sich „diskriminiert und kriminalisiert“ fühlt. „Unsere Ehrlichkeit ist bestraft worden“, sagt er rückblickend.
Das Ehepaar hatte Anhörungsbögen ausgefüllt, war persönlich im Amt erschienen. Und während das Ballenstedter Ordnungsamt erklärt hatte, sich nach dem Hundegesetz gerichtet zu haben, sieht Klaus Gebhardt die Sache anders.
„Meine Recherchen haben ergeben, dass auch der andere beteiligte Hund zum Wesenstest müsste und der Hundehalter die theoretische Prüfung machen müsste. Deshalb bin ich auch nach wie vor der Meinung, dass die Stadt hier einen Ermessensspielraum gehabt hätte.“
Die Stadt Ballenstedt hätte Ermessensspielraum gehabt, klagt der Hundehalter
Bis zur Änderung des Hundegesetzes im Jahr 2016 mussten alle an einer Beißattacke beteiligten Hunde zum Wesenstest. Doch nun können die Behörden beispielsweise auch berücksichtigen, warum ein Hund zugebissen hat - und dann entscheiden, für welchen Hund zum Beispiel ein Wesenstest angeordnet wird.
Im Fall der Gebhardts wurde dieser Test nur für Bella verlangt - die ihn bestanden hat. Für Klaus Gebhardt bleibt trotzdem ein Nachgeschmack: „Die Videoaufnahmen vom Wesenstest werden ein Jahr aufbewahrt. Wir dachten, nach dem Test und der Sachkundeprüfung ist es gut.“
„Wir haben strenge Vorgaben”, sagt Christian Herzer von der Stadtverwaltung in Harzgerode
Wie gehen andere Städte mit solchen Fällen um? „Wir sind nicht ganz so frei, wie wir es uns manchmal wünschen“, sagt Christian Herzer, Sachgebietsleiter Ordnung der Harzgeröder Stadtverwaltung. „Wir haben strenge Vorgaben, die unser Ermessen sehr einschränken.“
Die Beißattacken nähmen zu, sagt Herzer. 2018 habe es „drei größere Fälle“ gegeben, von denen einer bis vor das Oberverwaltungsgericht gegangen sei. In diesem Jahr würden bereits drei Fälle geprüft - „vor drei, vier Jahren waren es ein oder zwei Fälle im Jahr.“ Dabei sei keine Hunderasse besonders auffällig. Was Herzer auch feststellt: „Es nimmt zu, dass Hundehalter sorglos mit ihren Tieren umgehen. Viele wissen zum Beispiel nicht, dass generell Leinenpflicht besteht.“
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Hat ein Hund eine nicht geringfügige Verletzung verursacht, ohne dabei selbst angegriffen worden zu sein, ist die Verwaltung gesetzlich verpflichtet, den Fall zu prüfen. Das Einschreiten der Behörde ist laut Landesinnenministerium auch dann gerechtfertigt, wenn es nur möglich erscheint, dass ein Hund erneut zubeißt. Um das zu beurteilen, reiche die Lebenserfahrung der Behördenmitarbeiter aus. (mz)