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Der Berg ruft Brocken-Benno: Benno Schmidt feiert seinen 8180. Aufstieg zum 85. Geburtstag

Von Elke Kürschner 22.05.2017, 03:59
Benno Schmidt alias Brocken Benno steht auf dem Brocken
Benno Schmidt alias Brocken Benno steht auf dem Brocken dpa-Zentralbild

Schierke - „Gehn sie mal bitte zur Seite?“, fragt ein Wanderer. Er will das Wolkenhäuschen auf dem Brocken fotografieren. Sein Gegenüber ist überrascht - der hagere Mann in knielanger Cordhose mit offener Jacke ist Benno Schmidt - besser bekannt als Brocken-Benno.

Normalerweise wird er ins Bild gebeten. Er hat diesen Gipfel mehr als 8000 Mal unter die Füße genommen. Hoch und wieder runter: Am Montag (22. Mai) wird er 85. Da will er zum 8180. Mal hoch.

Brocken: Die sicherste Wetterstation zu DDR-Zeiten

„Wie bitte?! Ich hätte sie auf 75 geschätzt - höchstens.“ Benno lächelt verschmitzt. Das hört er gern. Heute meint es das Wetter mal wieder gut. Doch hier, auf 1142 Metern Höhe, herrscht alpines Klima. Die Brockenkuppe ist berüchtigt für rabiate Wetterwechsel, Stürme und reichlich Nebel.

Dafür wachsen hier seltene Pflanzen - etwa die Brockenanemone. Auch Schmidt ist im Harz verwurzelt. Wernigerode ist seine Heimatstadt, das Fachwerkstädtchen mit dem Jagdschloß. Direkt am Burgberg leben er und seine Frau Helga, aus dem Dachfenster können sie den Brocken sehen.

Dabei war der nahe Gipfel jahrzehntelang unerreichbar. Dort wachten deutsche und russische Soldaten, hörte die Staatssicherheit Freund und Feind ab und hoch durften nur die Meteorologen der Wetterstation. Es war die sicherste der DDR. Die Wut über Sperrzone, Abhörstationen und die riesige Mauer rund ums Brockenplateau sind ein Grund für die Wanderleidenschaft von Benno Schmidt. Er gehörte zu den Bürgern, die am 3. Dezember 1989 die Öffnung der Brockenmauer durchsetzten. Ein historischer Moment.

Brocken-Benno lässt sich von schlechtem Wetter nicht aufhalten

Morgens steigt Brocken-Benno in sein Auto und fährt nach Schierke. Dort beginnt sein Weg nach oben. Schlechtes Wetter hält ihn nicht auf. Aber es kann schon mal sein, dass er für Fernsehaufnahmen verreist. Die Anfrage einer Altersforscherin hat er abgelehnt. Er hätte sich drei Tage lang in Magdeburg untersuchen lassen sollen - sie will zeigen, wie man gesund altert. Er ist das beste Beispiel dafür.

Zwei Jahre lang musste er pausieren. Der Krebs hatte ihn erwischt. Er wird nachdenklich. „Ich hatte Glück, dass das rechtzeitig erkannt wurde.“ Jetzt federt er wie eine gut geölte Maschine gleichmäßig nach oben.

Benno Schmidt führt genau Buch und sammelt die Wanderpässe, die abgestempelt werden. Die braucht er als Beweis. Er schätzt die Begegnungen mit Familien und Schulklassen, Eintagswanderern und Profisportlern. Die meisten erkennen ihn und wollen ein Foto - mit ihm. Er gibt Wandertipps, verteilt Karten zur Erinnerung. Schreibt die Zahl des heutigen Aufstiegs darauf.

Zwischenzeitlich war der Kampf um den Gipfel ins Fanatische abgeglitten. Es gab Tage, da ist er fünfmal rauf und runter. Für die Statistik, den Rekord. Er wollte Sieger sein an seinem Berg und er hat es geschafft. Bis ins „Guinness Buch der Rekorde“. Die Jubiläen hat er zelebriert. Vor fünf Jahren, zum 80. haben ihm seine Freunde eine Bank geschenkt - aus Brockengranit. Da war er 6666 mal oben. Benno liebt diese Zahlen.

Begegnung mit Reinhold Messner auf dem Brocken

Auf halber Höhe, am Eckerloch, spricht ihn eine Frau um die 50 an: „Sind Sie Brocken-Benno? Das ist ja schön, dass ich sie mal kennenlerne.“ Sie kommt aus Solingen, wandert gerade von Thüringen durch den Harz und kennt ihn aus dem Fernsehen. - „Den Stock?“ Ja, den hat er in Oberstdorf gekauft, vor Jahren. Also doch! Er war schon mal woanders; hat tatsächlich auch andere Berge bestiegen. Zu Hause aber ist er hier - schließlich ist ihm auf seinem Hausberg auch Reinhold Messner in die Arme gelaufen. Toller Typ, der Südtiroler. Benno hätte ihn kaum erkannt, mit wehendem Haar, ohne Mütze. Eine schöne Begegnung. Messner erwähnt sie in seiner Biografie.

Wer Benno begleitet, hat das Gefühl, dass er Goethe persönlich kannte. Dessen folgenreiche Brockenbesteigungen hat er akribisch studiert, ist seine Wege gegangen und hat seine Worte gedeutet. Die Teufelsszenen aus Goethes „Faust“ haben ihn inspiriert zum Teufelsstieg, den er gemeinsam mit dem Schriftsteller Bernd Wolff durchgekämpft hat. So richtig wollte keiner einen neuen Wanderweg im Harz etablieren, doch hartnäckig hat er jeden angesprochen, der was zu sagen hat. Herr Schmidt nimmt schon mal einen Minister zur Seite und erzählt ihm, was wichtig ist hier oben. Am 3. Oktober 2014 wurde der Teufelsstieg eingeweiht.

Gerade, als Brocken-Benno am Gipfelstein ankommt, springt eine junge Frau auf ihn zu, das Handy gezückt. Sie hat Angst, dass er ihr entwischt. Ein bisschen schüchtern erzählt Laura Haase, dass sie ihn kennt und gerade ihren Freundinnen von ihm erzählt hat. Die wohnen in Detmold, sind gerade 18 und wollten ihr nicht glauben. Laura ist ein bisschen verlegen. „Echt beeindruckend, dass sie in so hohem Alter jeden Tag hier hoch wandern.“. Jetzt kichern die vier, sie bekommen ihr Selfie. Brocken-Benno setzt sein schönstes Lächeln auf. Dafür lohnt sich jeder Aufstieg. (dpa)