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Beschleunigte Strafverfahren Beschleunigte Strafverfahren: Kurzer Prozess am Amtsgericht Halberstadt

Von Kjell Sonnemann 27.02.2019, 09:21
Im Landkreis Harz werden pro Jahr sieben bis acht besonders beschleunigte Verfahren behandelt.
Im Landkreis Harz werden pro Jahr sieben bis acht besonders beschleunigte Verfahren behandelt. Hartmann/dpa

Halberstadt - Plötzlich piept es schrill und laut, ein rotes Licht blinkt am Ausgang eines Elektronikmarkts auf. Ein Ladendieb aus dem Ausland wollte mit seiner Beute verschwinden, doch die elektronische Sicherung ertappte ihn. Zudem haben ihn Überwachungskameras in dem Geschäft gefilmt.

Die Lage ist eindeutig, der Beschuldigte räumt seine Tat auch ein. In einem solchen Fall bietet sich das besonders beschleunigte Strafverfahren an: Spätestens am nächsten Tag wird das Urteil gesprochen und der Täter bleibt bis zur Verhandlung meist in Polizeigewahrsam.

Keine Chance für Kriminelle, Bestrafung zu entgehen

Sieben bis acht Verfahren dieser Art werden pro Jahr im Amtsgericht Halberstadt behandelt - egal wo im Harzkreis der Laden- oder Taschendiebstahl stattfand oder etwa ein LKW-Fahrer aus einem Land außerhalb der EU ohne Führerschein unterwegs war.

Anfang dieses Jahres habe es ungewöhnlich viele besonders beschleunigte Verfahren gegeben: vier bis fünf, teilt Hauke Roggenbuck, Oberstaatsanwalt in Halberstadt, mit. „Es wurde besonders viel gestohlen.“

Ein unschlagbares Argument für diese schnelle Möglichkeit von Gerichtsverfahren ist: Die beschuldigten Kleinkriminellen haben keine Chance, der Strafe zu entgehen, nur weil sie keinen festen Wohnsitz in Deutschland haben oder außerhalb der Europäischen Union (EU) wohnen. Oft sind ertappte Ladendiebe reisende Täter, die, wenn sie wieder auf freiem Fuß sind, nicht mehr greifbar sind.

Hoher Zeitdruck für alle Beteiligten

Das besonders beschleunigte Verfahren macht den Beiteiligen jedoch viel Arbeit. Polizei, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht müssen eng zusammenarbeiten. Und „der Zeitdruck ist ohnehin groß genug“, sagt Roggenbuck.

Es müssen unter anderem Kaufhausdetektive angehört, häufig ein Dolmetscher für die Beschuldigten gefunden und manchmal ein Pflichtverteidiger beauftragt werden - alles binnen der knappen Fristen.

„Es ist ein hoher Aufwand, der sich aber lohnt“, findet der Oberstaatsanwalt und verdeutlicht: Etwa 95 Prozent der Urteile sind rechtskräftig, also unanfechtbar.

Mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe kann nicht verhängt werden

Allerdings bietet sich so ein kurzes Strafverfahren nur in wenigen, speziellen Fällen an. Voraussetzungen sind, dass der Beschuldigte auf frischer Tat geschnappt wird, er sein Vergehen gesteht und dieses eindeutig ist, beispielsweise durch Videoaufnahmen belegt.

Zudem muss die Hauptverhandlung spätestens am Tag nach der Tat angesetzt werden. Und das Strafmaß muss im Vorfeld abschätzbar sein: Mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe darf das Amtsgericht bei beschleunigten Verfahren nicht verhängen - es geht also eher um kleine Delikte.

„Wir sind auf die Polizei angewiesen“, sagt Roggenbuck. Ulrike Dallmann-Wagner vom Polizeirevier Harz erklärt: Die Polizisten sind die ersten vor Ort, die den Sachverhalt untersuchen. „Sie sammeln Informationen, die notwendig sind, um einzuschätzen zu können, ob sich ein beschleunigtes Verfahren anbietet.“

Dementsprechend stellen sie Fragen an den Beschuldigten und den Geschädigten. Die Anzeige muss dann klar in Papierform gebracht werden, der Staatsanwalt braucht die Akte sehr schnell.

„Wir stimmen uns mit dem Staatsanwalt ab. Das klappt reibungslos“, berichtet Ulrike Dallmann-Wagner. Der Aufwand für die Polizisten sei im Vergleich zu einem normalen Verfahren nicht unbedingt höher, wohl aber der Zeitdruck.

Harzkreis ist unauffällig

Damit ist die Arbeit der Polizei nicht beendet. Denn die Beamten bringen den Täter in der Regel aus einer Zelle zum Amtsgericht. „Die Fahrt muss mit einberechnet werden“, sagt Ulrike Dallmann-Wagner.

Zwei Zellen gibt es in Halberstadt, ansonsten kommen die Beschuldigten in Magdeburg in kurzen Polizeigewahrsam, berichtet Roggenbuck aus Halberstadt.

Die Anzahl der besonders beschleunigten Verfahren sei im Harzkreis unauffällig, heißt es von der Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg. „Sie verteilen sich.“ In ganz Sachsen-Anhalt gibt es pro Jahr zwischen 28 und 64 Strafverfahren dieser besonderen Art.

Zur Verfügung steht den Staatsanwaltschaften noch eine ähnliche Form: das beschleunigten Verfahren, bei dem die Gerichtsverhandlung innerhalb von einem Monat stattfindet. 2017 gab es weniger als 400 solcher Strafverfahren. (mz)