50 Jahre Fußball in Gernrode 50 Jahre Fußball in Gernrode: Der SV Germania empfängt Regionalligist Halberstadt

Gernrode/MZ - „50 Jahre - ich kann es nicht glauben.“ Werner Grundmann (73) schüttelt den Kopf, wenn er an das Jubiläum denkt, das die Abteilung Fußball des SV Germania Gernrode am Samstag feiert - 50 Jahre Fußball in Gernrode. 1964 war Grundmann als frisch ausgebildeter Lehrer von der DHFK Leipzig gekommen. „Damals gab es in Gernrode keinen Fußball, die Fußballer spielten in Rieder und Bad Suderode“, erinnert sich der heutige Vorsitzende des SV Germania.
Kein Handball mehr
Gernrode war als Handball-Hochburg bekannt und als 13-Jähriger wurde der Ur-Gernröder natürlich Handballer - Feldhandball wurde damals im Hagental quer zum heutigen Spielfeld gespielt. Aber als Grundmann nach Armee und Studium zurückkam, gab es kein Handball mehr in Gernrode.
Beim damaligen VEB Polsterwaren gab es eine Betriebssportmannschaft, die auf Kleinfeld kickte. Die erste Aufgabe des Lehrers war nun die, eine Fußball-Mannschaft bei der BSG Aufbau aufzubauen. Am 1. Juni 1964 gab es das erste Spiel gegen Ballenstedt, und im Herbst stieg das Team in den Punktspielbetrieb ein. „Von da an ging es aufwärts.“
BSG-Leiter Kurt Drobeck, Trainer Günter Schulz und Grundmann als Sektionsleiter bauten die Abteilung auf. Einige Gernröder Fußballer, die bis dahin in den Nachbarorten gespielt hatten, kamen hinzu. Ab 1965 gab es bereits die erste Nachwuchsmannschaft, erzählt Grundmann heute gern. Hilfe kam vom Ballenstedter Werner Kamla. Jahrelang waren zwei, mitunter sogar drei Herrenmannschaften im Spielbetrieb. Grundmann leitete die Abteilung aber nur bis 1970, ehe ein Mann den Job übernahm, der die Sportart in Gernrode für 40 Jahre bis 2010 wie kein anderer prägen sollte - Bernd Kuhmann.
Ohne Spielerpass und EDV-Anmeldung
„Irgendwann hatte mich beim Spiel der Kassierer angesprochen, dass da einer ist, der nicht zahlen, sondern spielen will“, erzählt Grundmann lachend von der ersten Begegnung mit dem damaligen Zschornewitzer, der sich in eine Gernröderin verliebt hatte. „In der Pause haben wir ihn dann gleich eingewechselt.“ Wer das heute hört, kann da nur staunen.
Ohne Spielerpass und EDV-Anmeldung und dann noch ohne Wechselfristen zu beachten, konnte ein Talent von der Straße weg eingesetzt werden. Kuhmann arbeitete noch einige Jahre in Zschornewitz, wohnte aber bereits in Gernrode. Im Herbst 1969, als er dann einen Job in Gernrode bekam, übernahm Kuhmann die Sektionsleitung. Grundmann rückte in die zweite Reihe.
Die Gernröder Fußballer spielten mit ihrer ersten Mannschaft jahrelang in der 1. Kreisklasse. 1970 gewannen sie den FDGB-Kreispokal. Sie drangen in der folgenden Saison sogar bis in das Halbfinale des Bezirkspokals vor, verloren aber zu Hause gegen Köthen. Ihr größter Höhepunkt war 1974 das Freundschaftsspiel gegen den 1. FC Magdeburg, der drei Tage zuvor den Europapokal der Cup-Sieger geholt hatte und mit seinen Nationalspielern im Hagental einrückte.
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Kuhmann hatte das Spiel mit dem Club eingefädelt. Grundmann betont zwar, dass die Magdeburger für einen guten Zweck spielten, gesteht aber, dass sie nicht ganz Gegenleistung kamen. Die großen Gernröder Betriebe, die Harzer Uhren und Polsterwaren herstellten, hätten eine Rolle gespielt.
„Wir haben zweistellig verloren, aber auch ein Tor gemacht“, erinnert er sich an das Spiel vor 5 000 Zuschauern, für das drei Kassen eingerichtet werden mussten. Auch später kamen die Magdeburger immer mal ins Hagental, und auch Wismut Aue konnte zu einem Freundschaftsspiel begrüßt werden.
Sieg gegen Gewerkschaftsauswahl von Martinique
Ein anderes Erlebnis verbindet Grundmann mit dem Spiel gegen eine Gewerkschaftsauswahl von der französischen Insel Martinique. „Die waren nach dem Flug platt und wir haben sie besiegt. Danach hatten die sich ausgeruht und an den nächsten Tagen gegen Thale und Quedlinburg gewonnen.“
Am erstauntesten war Grundmann darüber, dass die Gäste im FDGB-Ferienheim Stubenberg mal eben das Telefon nahmen und von dort aus bis hinter den eisernen Vorhang in ihre Heimat telefonieren konnten.
Nach der Wende kamen neue sportliche Erfolge, die die Kicker bis in die Landesklasse führten. Inzwischen erfreut sich Grundmann vor allem an den Erfolgen der Nachwuchs-Kicker. Michael Clemens, der die Abteilung seit 2011 führt, macht dafür die jahrelange Arbeit von Mario Walther, Uwe Schwierske, Frank Umgelder oder heute Steffen Bochnia verantwortlich.
Stagge ist Stammspieler bei HFC-B-Junioren
Einige Sportler konnten in der Vergangenheit zu Clubs delegiert werden. Lukas Stagge sei heute Stammspieler der B-Junioren des HFC, der in der Regionalliga-Fünfter wurde, weiß der Fußball-Chef.
Clemens bedauert es heute vor allem, dass er es nicht schafft, Spieler der ersten Mannschaft bei der Stange zu halten, so wie nun menschlich tolle Spieler wie Sven Gabriel, der morgen gegen Halberstadt letztmals das Germania-Trikot überstreift, weil er wieder nach Quedlinburg möchte, oder andere, die morgen verabschiedet werden.
Werner Grundmann beneidet Michael Clemens nicht. Der Verein kann nur die Rahmenbedingungen für den Sport schaffen. Die Bedingungen auf dem Sportplatz sollen mit Hilfe der Stadt Quedlinburg verbessert werden. Ab heute steht der mit Hilfe der Stadt und Sponsoren sanierte und eingerichtete Clubraum in der Turnhalle endlich wieder zur Verfügung.

