Weideprojekte Weideprojekte in Wulfen und Oranienbaum: Jetzt beginnt das Warten auf die Fohlen

Wulfen/Oranienbaum - Die drei jungen Konik-Hengste lassen sich nicht lange bitten. Kaum hat Claudia Meier die Klappe vom Pferdeanhänger geöffnet, drehen sie sich um und stürmen auf die Weide im Wulfener Bruch.
Übermütig tollen sie umher und schauen, was es zu entdecken gibt: weitere Koniks, Heckrinder und eine Lewitzer Stute, das scheint erst einmal interessant genug zu sein. Knapp ein Jahr alt sind die Wirbelwinde „Morris“, „Merlin“ und „Gandalf“.
Das ist der Zeitpunkt an dem sie geschlechtsreif werden. Deshalb, so erklärt es die Mitarbeiterin der gemeinnützigen Köthener Naturschutz und Landschaftspflege GmbH Primigenius, werden sie umgesetzt. „Auf ihrer alten Fläche stehen Zuchtstuten und ein Deckhengst. Dem sollen die kleinen Vorwitzigen nicht zuvorkommen“, sagt Tiermanagerin Claudia Meier, die gemeinsam mit André Eberius und Peter Baber den Transport durchgeführt hat.
„Unser Ziel bleibt es die Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten zu erhalten“
Vor Ort ist auch Stefan Reinhard. Der promovierte Agraringenieur leitet seit dem 1. Februar die Primigenius gGmbH als Geschäftsführer. Nach dem Weggang von Stephanie Caspers war die Stelle ein halbes Jahr nicht besetzt.
Nun ist Reinhard also verantwortlich für die sieben Mitarbeiter, fast alle arbeiten in Teilzeit, sowie die etwa 100 Heckrinder und 140 Koniks, die für den Naturschutz und Primigenius im Wulfener Bruch und in der Oranienbaumer Heide ganzjährig weiden. „Unser grundsätzliches Ziel bleibt es, an beiden Standorten die Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten zu erhalten“, sagt der 55-Jährige.
Er will seinen Teil dazu beitragen. Jede Menge Erfahrung bringt der Vater von drei erwachsenen Töchtern, der mit seiner Frau in Leipzig lebt, jedenfalls mit. Reinhard arbeitete unter anderem etliche Jahre als Betriebsleiter einer Agrargenossenschaft im brandenburgischen Elbe-Elster Kreis, zuletzt war er in einem Wurzener Landgut für die Futterwirtschaft und die dortige Biogasanlage zuständig.
Wichtig sei ihm, fügt er hinzu, dass sorgfältig mit den Tieren umgegangen werde, dass ein ethischer Anspruch der Arbeit mit ihnen zugrunde liege. Deshalb wachse bei Primigenius jedes Kalb bei seiner Mutter auf, deshalb hätten die Rinder ihre Hörner, nennt er nur zwei Beispiele. „Ich sehe uns als Landwirtschaftsbetrieb mit der Nische Naturschutz.
Die Erträge stehen nicht im Vordergrund“, betont der Agraringenieur, wohl wissend, dass es der Einnahmen bedarf, um erfolgreich Lebensräume erhalten zu können. Neben der Grundförderung für Landwirtschaftsbetriebe, den Zuwendungen an das gemeinnützige Unternehmen für den Ökolandbau und denen für die extensive Grünlandnutzung müssen also weitere Quellen erschlossen werden.
Es sollen jetzt gezielt Pferde mit besonderen Farben gezüchtet werden
Während etwa fünf Rinder pro Jahr geschlachtet, verarbeitet und ohne Probleme verkauft werden, stehe bei den Pferden die Lebendvermarktung im Vordergrund. Die ist indes nicht ganz einfach, wie Claudia Meier bestätigt. „Naturschutzprojekte in Deutschland und den Niederlanden haben sich gegenseitig mit Koniks versorgt und private Halter tun sich schwer mit unausgebildeten Kleinpferden ohne Stammbaum, obwohl sie fruchtbar, menschenfreundlich, ausdauernd, robust und wunderschön sind“, stellt sie fest.
Doch ein Ausweg ist gefunden. Da Koniks in verschiedenen Farbschlägen vorkommen und seltene Farben begehrt sind, sollen jetzt gezielt solche Pferde gezüchtet werden - etwa Rot- und Gelbfalben, Rappen oder Schecken. Inzwischen wurden zu diesem Zweck drei Zuchtstuten und zusätzlich eine Lewitzer Schecke gekauft. Die Zucht kann also beginnen. Sie findet indes nur auf den Weiden im Wulfener Bruch statt. Dort haben die Koniks bessere Aufzuchtchancen als in der Oranienbaumer Heide, wo bekanntlich Wölfe, die auch in den vergangenen Monaten dort immer mal wieder gesichtet wurden, vor über einem Jahr Fohlen angegriffen, verletzt und getötet haben.
Damals mussten die trächtigen Stuten und die Stuten mit ihren Fohlen in den Landkreis Anhalt-Bitterfeld evakuiert werden. „Die Pferdezucht findet jetzt in Wulfen statt, wir erwarten in diesem Monat die ersten Fohlen“, bekräftigt Geschäftsführer Reinhard den Bestand der Entscheidung.
Frühlingsgefühle - auch bei den Tieren in der Heide
Die Oranienbaumer Heide bleibt also dem Nachwuchs der wehrhaften Heckrinder vorbehalten. Und dort herrscht bereits Frühjahrsstimmung. „Die Heidelerchen balzen, die Kraniche haben ihr Revier bezogen, die Besucher entdecken jetzt wieder verstärkt die Schönheiten der Heide, und im April erwarten wir die ersten Kälber“, sagt Peter Poppe, der zuständige Experte von Primigenius vor Ort.
Und noch etwas freut den 50-Jährigen: Das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten sowie die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Wittenberg haben Anfang März eine Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt. „Keine Beanstandungen, alle Flächen sind in bestem Pflegezustand“, sagt Poppe.
Zudem sind einige Wege im Auftrag des Flächeneigentümers, der DBU Naturerbe GmbH, mit Naturstein-Schotter vom Petersberg instandgesetzt worden. Auch Zäune um Flächen, die von der Hochschule Anhalt zu Vergleichszwecken aufgebaut wurden, hat Peter Poppe mit seinem Team repariert. Zudem, ergänzt Geschäftsführer Reinhard, stünden der Hochschule seit Jahresbeginn und bis September 2019 Mittel aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums zur Verfügung.
Die Wissenschaftler werden etwa untersuchen wie die Heideverjüngung vorangetrieben und die Spätblühende Traubenkirsche zurückgedrängt werden kann. Sie wollen die Wirksamkeit der Weidepflege mittels eines Traktors kontrollieren und nach dem optimalen Besatz mit Weidetieren forschen. Außerdem haben sie die Entwicklung der verschiedenen Vogelarten im Blick. So interessiert sie beispielsweise, ob der nachtaktive Ziegenmelker bestimmte entbuschte Flächen der Weide angenommen hat.
Exkursion mit dem Fahrrad für jedermann
Wer sich selbst ein Bild von der Schönheit der Heide machen und Heckrinder sowie Koniks beobachten möchte, der ist vor Ort gern gesehen. Im August, so Peter Poppe, werde auch wieder zu einer der beliebten Fahrradexkursionen eingeladen. (mz)

