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Vetter-Touristik Vetter-Touristik: Gründer Wolfgang Vetter feiert seinen 90. Geburtstag

Von Silke Ungefroren 01.11.2016, 08:58
Seniorchef Wolfgang Vetter und ein Teil der Familie beim Fest des Reisebüros auf dem Verkehrshof: Sohn Wolfdietrich und Schwiegertochter Birgit (l.), Enkelsohn Thomas (r.) sowie Jannis und Luisa - zwei seiner vier Urenkel.
Seniorchef Wolfgang Vetter und ein Teil der Familie beim Fest des Reisebüros auf dem Verkehrshof: Sohn Wolfdietrich und Schwiegertochter Birgit (l.), Enkelsohn Thomas (r.) sowie Jannis und Luisa - zwei seiner vier Urenkel. Thomas Ruttke

Salzfurtkapelle - Es ist nicht sein Ding, im Mittelpunkt zu stehen. Das wollte er noch nie. Er hat einfach immer nur angepackt. Leute mitgezogen. Ist durch Höhen und Tiefen gegangen. Und verfolgt noch heute - wenn auch verhaltener und mit mehr Abstand - was in „seinem Laden“ passiert.

Schließlich wohnt er gegenüber des Busbetriebes, den er vor 70 Jahren aus der Taufe gehoben hat. Mit einem alten Laster als Startkapital.

Familienunternehmen in dritter Generation

Nun folgt ein weiteres Jubiläum: Wolfgang Vetter, der Seniorchef der gleichnamigen GmbH, beging am Sonntag seinen 90. Geburtstag - einen Tag nach dem großen Volksfest der Vetter-Touristik auf dem Verkehrshof in Salzfurtkapelle.

Natürlich ist der Jubilar auch dort anzutreffen. Schließlich ist er stolz darauf, was Schwiegertochter Birgit und Enkelin Kristin aus der Reiseverkehrsgesellschaft, die nach der Wende aufgebaut wurde, gemacht haben.

Ja, das Familienunternehmen arbeitet schon in dritter Generation. Den Busbetrieb leiten mit Wolfdietrich und Thomas Vetter Sohn und Enkelsohn.

Eine Feier mit schwerem Herzen

Richtig zum Feiern zumute ist dem Seniorchef an diesem Wochenende dennoch nicht. Er musste viel verarbeiten in den vergangenen Monaten. Im Januar hat ihn seine Frau für immer verlassen.

Kurz vor ihrem 89. Geburtstag und genau an jenem Tag, an dem er vor sieben Jahrzehnten den Betrieb gegründet hat. Das Schicksal kann hart sein. Schließlich war es seine Gisela, die immer zu ihm gehalten hat.

Ihm nicht nur den Rücken freihielt, sondern das Lebenswerk mit ihm gemeinsam schuf. Das eine besondere Würdigung erfuhr, als Wolfgang Vetter vor zehn Jahren mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse geehrt wurde.

In die Zeit der Trauer um seine Frau mischte sich noch die des Bangens. Ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn hatte signalisiert, ab 2017 den Busverkehr im Landkreis übernehmen zu wollen, den Vetter-Betrieb abzulösen. Ein harter Wettbewerb war im Gange.

„Ich musste mit ansehen, wie dieser Kampf unserer ganzen Familie das Leben schwer gemacht hat“, sagt der Seniorchef. „Da kommt ein Staatskonzern und will uns kaputt machen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das auch noch ein drittes Mal erleben muss.“ Zwei solcher Kämpfe hat er schon durchgemacht - damals zwar verloren, aber nie aufgegeben.

In den 50ern durch die DDR enteignet

Rückblick: Als die DDR Ende der 50er Jahre rigoros Tausende Privatbetriebe zerschlägt, wird auch Vetter enteignet, kommt sogar ins Gefängnis. Doch seine Frau schafft es, dass er rehabilitiert wird und die Firma zurückbekommt.

1972 wird er zum zweiten Mal enteignet, als die DDR ihren privaten Wirtschaftssektor nun völlig vernichtet. Doch er und seine Mitarbeiter, die ihren Chef „Vati“ nennen, erreichen ein Wunder: Der Busbetrieb wird zwar volkseigen und einem Verkehrskombinat angegliedert, bleibt aber rechtlich selbstständig.

Mit dem Umbruch im Land und der Reprivatisierung bekommt Vetter dann seine Firma wieder. Und obwohl er da schon bald Mitte 60 ist, will er es noch einmal wissen. Gemeinsam mit seiner Familie nutzt er die Chance, packt es an und baut das Unternehmen neu auf. Heute ist daraus ein Firmenverbund mit über 800 Beschäftigten geworden.

Mit großer Anstrengung hat es das Unternehmen auch diesmal geschafft: Der Wettbewerb ist vom Tisch, die Aufträge für die nächsten Jahre sind unter Dach und Fach. „Wir sind glücklich, dass uns das gelungen ist“, sagt Sohn Wolfdietrich Vetter. „Und hoffen, dass die Lage stabil bleibt, denn leichter wird es nicht.“

„Immer nach vorn geschaut und alles gegeben“

Den 90. Geburtstag seines Vaters nimmt er zum Anlass, seine Eltern zu ehren. „Sie haben beide durchgezogen und kaum Urlaub gemacht“, sagt er. „Immer nach vorn geschaut und alles gegeben. Egal, in welchem politischen System.“

Das Dankeschön für diese Lebensaufgabe, die er einst vom Vater übernommen und nun schon an seine Kinder weitergegeben hat, spricht er schließlich öffentlich aus - am Sonnabend beim Tag der offenen Tür des Reisebüros.

Und da steht der Senior dann plötzlich doch im Mittelpunkt. Die feuchten Augen kann er nicht verbergen. Und stolz darf er sein. Vor allem auf „seinen Laden“. (mz)