Antikgasthof Stern Friedersdorf: Antikgasthof Stern schließt am 30. September 2018

Friedersdorf - Dieses Weihnachten wird seit langem das erste, das sie wieder zu Hause feiert. Mit der Familie, mit einem Festessen im kleinen Rahmen. Und mit Zeit zum Entspannen und Innehalten. Sabine Gutjahr kann es sich zwar noch nicht so richtig vorstellen, aber sie freut sich drauf.
War doch sonst an Feiertagen an solche Dinge kaum zu denken. Überhaupt bestimmte der Beruf ihr Leben und das ihrer Familie. „Entweder du steckst mit Haut und Haaren drin oder du lässt es“, sagt sie und meint den „Antikgasthof Stern“, den sie vor 20 Jahren eröffnet hat.
Und in dem sie mit ihrem Team am 30. September zum letzten Mal Gäste bewirten wird. Unwiderruflich. „Die Entscheidung ist gefallen.“
Einen Traum erfüllt
Sabine Gutjahr kann sich noch genau daran erinnern, als sie damals auf ihrem Weg zur Arbeit nach Bitterfeld immer an dem leerstehenden und maroden Haus vorbeifuhr. Ihr kam ein Gedanke: Sollten wir uns nicht hier unseren Traum erfüllen? Denn den Wunsch, ein Antik-Café zu eröffnen, hatten sie und ihr Mann Klaus schon lange - er betrieb bereits einen Antiquitätenhandel.
Sie wagten es. Die Familie kaufte 1996 das Haus, zweieinhalb Jahre später war Neueröffnung - nach umfangreichem Umbau. Neben dem im Stil der Jahrhundertwende eingerichteten Gastraum waren ein Saal und Pensionszimmer entstanden sowie der Antikhandel - später erweitert durch ein Antiquariat des Buchdorfes Mühlbeck-Friedersdorf. Schnell eroberte sich das Haus Rang und Namen. Die Mischung kam an: gutes Essen, zuvorkommender Service, Biergarten mit schattigen Bäumen - und obendrein im Trödel kramen.
Zeit für die Gäste nehmen
„Wir haben immer Wert auf eine familiäre und harmonische Atmosphäre gelegt“, sagt Sabine Gutjahr. Und sie denkt, dass ihr und ihren Leuten das gelungen ist. Mit ganz einfachen Dingen. Der Gast wird nicht gefragt, ob es ihm geschmeckt hat. „Er soll es selbst sagen.“ Und wenn die Leute erzählen wollen, sollen sich die Kellner Zeit nehmen dafür und auch mal plaudern. „Hektik gibt es überall schon genug.“
Tiefschläge weggesteckt
Natürlich gab es auch mal Tiefschläge - wie in den Flutjahren 2002 und 2013. „Wo eine Straße nach der anderen dichtgemacht wurde und wir abgeschnitten waren“, sagt die Chefin. „Und Hilfe von außen kam ja nicht, mit den Umsatzeinbußen mussten wir alleine fertig werden.“ Aber auch das haben sie weggesteckt.
Das Schönste für die Gastwirtin ist, „wenn die Tische besetzt sind, die Leute erzählen, sich wohlfühlen“. Doch damit ist nun Schluss. Eine Entscheidung, die schon bei der Eröffnung feststand, sagt Sabine Gutjahr. Damals war sie 40, jetzt steht sie kurz vor dem 60. Geburtstag. Und will sich „noch einmal neu erfinden“. Andere Dinge tun, sich anders verwirklichen, kreativ sein. „Es gibt eine Phase, wo Alltag schnell zur Routine werden kann“, sagt sie. Besonders dann, wenn man etwas mit Leib und Seele tut. Diese Routine will sie vermeiden. Und verschweigt nicht, dass nach so vielen Jahren Gastronomie sich mit dem Alter auch gesundheitliche Defizite einstellen. „Schließlich bist du den ganzen Tag auf den Beinen.“
Der Antikhandel bleibt
Die Familie orientiert sich neu. Sohn Mario, der Koch gelernt hat und mit Benjamin Wandt viele Jahre die Küche geschmissen hat. Sohn Henry, der im Antikhandel mitwirkte. Den übrigens werden die Gutjahrs weiterführen - auf Märkten und online. „Was wir noch alles machen werden, entscheiden wir später. Erst mal müssen wir runterkommen.“ Und natürlich versuchen sie weiterhin, das Haus samt Grundstück zu veräußern. Am liebsten wäre es ihnen, es würde jemand als Gasthaus weiterbetreiben.
Leicht fällt der Abschied nicht - ganz im Gegenteil. „Wir haben hier ganz viele liebe Menschen kennengelernt, die werde ich besonders vermissen.“ Und in Situationen wie neulich, als die Skatfreunde mit einem großen Blumenstrauß auftauchten und sich alle umarmten, da ist die Wehmut besonders groß. Da fließen auch Tränen. „Nur durch die Gäste konnten wir zu dem werden, was wir heute sind“, betont sie. „Dafür möchten wir uns ganz herzlich bei allen bedanken.“
Der Ausverkauf von Büchern, Glas und Porzellan hat bereits begonnen. Ab 4. Oktober und bis Ende des Monats können auch Inventar, Deko, Tischwäsche und vieles andere erworben werden. (mz)