Dartsport Dartsport: Immer genau in die Mitte
MULDENSTEIN/MZ. - Der Alexandra Palace in London bebt: 2 500 frenetische Zuschauer springen auf und ab, verwandeln den "Alley Palley" in einen Hexenkessel. Die WM-Hymne "Chase The Sun" dröhnt aus den Lautsprechern, es regnet Konfetti. Adrian Lewis steht im Blitzlichtgewitter der Kameras. Soeben hat der 26-jährige Engländer das Finale der Darts-Weltmeisterschaft 2011 gewonnen. Der Fernsehsender Sport 1 überträgt das Darts-Spektakel live in die deutschen Wohnzimmer - rund 510 000 Zuschauer in Deutschland verfolgen das Endspiel.
Einer davon ist Alexander Kreis (28), Sektionsleiter Darts beim SV Rot-Weiß Muldenstein, seit Oktober 2010 der erste offiziell eingetragene und bisher einzige Steeldartsverein in Sachsen-Anhalt.
"Natürlich sehen viele Menschen den Sport im Fernsehen und möchten es dann einfach mal ausprobieren", sagt Alexander Kreis. Doch wöchentlich trainieren und an sportlichen Wettkämpfen teilnehmen wollen die Wenigsten - da fällt der Gang in die nächstgelegene Kneipe oft wesentlich leichter. Dort erfreut sich das Spiel an den Automaten, so genanntes Electronic-Darts (E-Darts), stetiger Beliebtheit. Auch hier gibt es eingetragene Vereine, Turniere werden ebenso veranstaltet. Im Gegensatz zum Steeldarts zählt nicht der Spieler die Punkte, sondern der Automat. Zudem muss jede Partie bezahlt werden, schließlich geht es für die Automatenhersteller ums Geschäft. "Wir jedoch wollen weg von diesen kommerziellen Sachen und stattdessen Steeldarts als breiten Leistungssport betreiben", erklärt Alexander Kreis.
Regelmäßig bei Ligaspielen
Aus diesem Grund schloss sich die Sektion Darts des SV Rot-Weiß Muldenstein dem Leipziger Bezirksfachausschuss Darts (L-BFA) und dem Sächsischen Dart-Verband (SDV) an, ist somit auch Mitglied im Deutschen Dart-Verband (DDV). Seitdem nehmen die Muldensteiner regelmäßig an Ligaspielen, Meisterschaften und Ranglistenturnieren teil. Doch in Mitteldeutschland ist Steeldarts immer noch eine Randsportart. Weder in Sachsen-Anhalt noch in Thüringen existieren Landesverbände. Obwohl der SDV deshalb den gesamten mitteldeutschen Raum abdeckt, sind lediglich fünf Vereine im Sächsischen Dart-Verband organisiert. Der SV Rot-Weiß Muldenstein wurde dementsprechend mit Freude aufgenommen. "Die Sektion Darts in Muldenstein hat viele starke Spieler", sagt Marcel Tiegel (33), Sportwart des SDV, "sie sind eine echte Bereicherung für die Darts-Szene in Mitteldeutschland."
Aktueller Bezirksmeister
Tatsächlich konnten in Muldenstein erste Erfolge verzeichnet werden: die Sektion Darts ist aktueller Bezirksmeister des L-BFA. Auch bei den sächsischen Meisterschaften im Einzel und Doppel wurden beachtliche Ergebnisse erzielt, zweite Plätze in beiden Wettbewerben errungen. Von Jubelarien, wie der rauschenden Siegesfeier des Adrian Lewis, träumen Darts-Spieler in Deutschland jedoch vergebens. Der Mangel an Sponsoren und niedrige Preisgelder verhindern ein Leben als Profi. Um mit dem Sport den Lebensunterhalt zu verdienen, müssen Erfolge auf internationalem Parkett her. Denn dort können beträchtliche Summen erspielt werden. Als Weltmeister erhielt Adrian Lewis immerhin 200 000 britische Pfund.
Davon sind deutsche WM-Teilnehmer wie Jyhan Artut (Weltranglistenplatz 57), Andree Welge (58) oder Bernd Roith (68) noch weit entfernt. Doch auch sie nehmen an internationalen Turnieren teil und erspielen dort regelmäßig Preisgelder. "In den Niederlanden begann der Boom durch Erfolge der holländischen Spieler wie Raymond van Barneveld", erzählt Heiko Werner (43), zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit beim Sächsischen Dart-Verband, "das würde bei uns ähnlich verlaufen, wenn ein oder zwei deutsche Spieler den Durchbruch schaffen würden." Dazu müssen bestimmte Strukturen geschaffen werden. Mit der Aufnahme in den Deutschen Olympischen Sportbund im vergangenen Jahr gelang dem Deutschen Dart-Verband ein wichtiger Schritt weg vom Image der Kneipensportart. Mittlerweile hat der DDV 14 Landesverbände und zählt etwa 11 000 Mitglieder.
Zwölf Spieler in Muldentein
In Muldenstein sind gegenwärtig zwölf Spieler aktiv. Jüngstes Mitglied der Sektion Darts ist Alexander Kreis - mit 28 Jahren. Der Fokus richtet sich deshalb zunehmend auf die Nachwuchsförderung. In Sachsen fanden im vergangenen Jahr erstmals Jugendturniere statt. Diese sollen zukünftig fester Bestandteil der Saison werden. Der Grundstein ist gelegt. "Wir müssen jede Gelegenheit mitnehmen und uns in der Öffentlichkeit präsentieren", sagt Alexander Kreis, "vor einigen Wochen haben wir zum Beispiel ein Open-Air Turnier in Leipzig veranstaltet und sogar im Regen weitergespielt." Die Darts-Sportler zeigen Engagement und Leidenschaft, werben für ihren Sport, begeistern damit andere Menschen. Und wer weiß: Möglicherweise steht bald ein Spieler aus Muldenstein im Londoner Alexandra Palace, wird von frenetischen Fans bejubelt, reckt die WM-Trophäe in die Höhe und verhilft dem Spiel mit den Pfeilen in Deutschland zum endgültigen Durchbruch.