Landesvertretung Landesvertretung: Sachsen-Anhalts Schaufenster in Berlin

BERLIN/MZ. - Ein Abend im Februar in der Berliner Luisenstraße 18: Hinter verschlossenen Türen rauchen Politikerköpfe. Die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition über die Hartz-IV-Reform waren kurz zuvor gescheitert, nun suchen die drei Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD), Horst Seehofer (CSU) und Wolfgang Böhmer (CDU) nach einer Lösung. Es wird Mitternacht in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts. Es wird ein Uhr. Zwei Uhr. Drei Uhr. Im Bistro, wo Halberstädter Würstchen, Mineralwasser aus Gänsefurth (Salzland) und Saft aus Raguhn (Anhalt-Bitterfeld) angeboten werden, nickt mancher der knapp 40 Journalisten kurz ein. Erlösung naht eine Stunde später: Bei einer - jedenfalls, was die Uhrzeit angeht - historischen Pressekonferenz wird ein Kompromiss verkündet. Am Morgen schaut ganz Deutschland auf die Bilder der müden Politiker vor einem Sachsen-Anhalt-Banner.
Schwerer Start für neues Domizil
Gestritten wird acht Jahre nach ihrer Eröffnung im einstigen Künstlerklub "Möwe" zwar in der Landesvertretung - aber nicht mehr über sie. Das war vor dem Start anders. Damals, Ende der 90er Jahre, wählte Sachsen-Anhalt sein Domizil in der Hauptstadt aus. Doch den Kaufpreis für die historische, aber sanierungsbedürftige Immobilie (16 Millionen Mark) hielten viele, auch der Landesrechnungshof, für viel zu hoch. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss beschäftigte sich mit der Sache.
Michael Schneider erinnert sich noch lebhaft an diese Zeit. Er ist von Beginn an Chef der Landesvertretung in Berlins Mitte, in der für Sachsen-Anhalt geworben wird und auch politische Interessen des Landes vertreten werden. "Als ich hier anfing, war es ganz seltsam: In den heimischen Medien wurde über die "Möwe" negativ berichtet, während sie in Berlin absolut positiv besetzt war", erzählt er. Schließlich erinnerten sich dort viele an den legendären Künstlertreff "Möwe" in der Luisenstraße, wo einst Sophia Loren zu Gast war und Bertolt Brecht mit seiner zweiten Frau Helene Weigel zeitweise wohnte (siehe "Landesvertretung in..."). Noch heute kommen Berühmtheiten in das historische Gebäude - wie 2008 die Schauspielerin Helen Mirren, die einen in Sachsen-Anhalt gedrehten Film vorstellte und den Begriff "Sexy Anhalt" prägte.
Längst kann sich Michael Schneider, offiziell "Bevollmächtigter des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund", auf erfreulichere Dinge konzentrieren, als Diskussionen um seinen Arbeitsort. Die wohl wichtigste Anforderung seines Jobs beherrscht er auf beeindruckende Weise: Wenn es um Sachsen-Anhalt geht, legt sich der Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten gewaltig ins Zeug: "Bayern hat die Alpen, Mecklenburg-Vorpommern die Ostsee - aber wir haben mit dem Ostharz, den Elbauen, der Altmark und der Weinregion im Süden ganz unterschiedliche touristische Landschaften." Natürlich fällt in seinem persönlichen Plädoyer für das Land auch das Wort "Unesco-Welterbe". Er lobt die reiche Geschichte und lässt bedeutende Branchen Sachsen-Anhalts - Solar, Chemie, Ernährungswirtschaft - nicht unerwähnt. Schneider, der eigentlich aus Rheinland-Pfalz stammt und 1990 als Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion nach Magdeburg gewechselt war, kommt kaum raus aus dem Schwärmen.
So gehört sich das auch für Sachsen-Anhalts Botschafter. Die Stärken des Landes bekannt zu machen, zählt schließlich zu den wichtigsten Aufgaben der Landesvertretung. "Wir sind das Schaufenster Sachsen-Anhalts in Berlin", sagt der Hausherr. Dabei wolle man "ein wirklichkeitsgetreues Bild des Landes zeigen". Schneider, den Termine regelmäßig nach Sachsen-Anhalt bringen, räumt aber auch ein: "Als ostdeutsches Bundesland haben wir da noch Nachholbedarf, weil wir viel später dazugekommen sind." Eines der größten Klischees über Sachsen-Anhalt sei seine fehlende Bekanntheit. Doch wenn in der Landesvertretung heute Saale-Unstrut-Weine, Händelfestspiele, die Straße der Romanik oder der Naumburger Meister vorgestellt werden, komme es seltener als früher vor, dass die Besucher ungläubig staunen über diese Schätze. Sachsen-Anhalt wird inzwischen einiges zugetraut.
Privilegierte Lage mitten in Berlin
Natürlich will man die Vorzüge trotzdem noch bekannter machen - zum Beispiel, indem man sich für Interessierte öffnet und regelmäßig etwa Politiker, Firmen, Verbände oder die Tourismusbranche einlädt. Ungefähr 25 000 Besucher kommen jährlich in die Botschaft. Dem zuträglich ist ganz sicher auch ihre privilegierte Lage im Herzen des Regierungsviertels - unweit des Reichstages. "Jedes Jahr finden etwa 270 Veranstaltungen in der Vertretung statt", erzählt deren Sprecher Matthias Schuppe. Das sind dann etwa Lesungen, Podiumsdiskussionen, Vorträge oder Ausstellungen. Manchmal wäre da das einst geplante gläserne Dach über dem Innenhof hilfreich, etwa, wenn es plötzlich anfängt zu regnen, sagt er. Doch das war nach dem Kaufpreis-Skandal eingespart worden. Höhepunkt ist stets die große Kultursommernacht im September, die Gäste wie die Kanzlerin und andere Vertreter des Berliner Politikbetriebs sowie aus Wirtschaft oder Medien anlockt.
"Ohne die Unterstützung von Sponsoren wäre es schwer, alle Veranstaltungen umzusetzen", sagt Matthias Schuppe. Denn der jährliche Etat von zuletzt knapp 70 000 Euro für Besucherführungen und Veranstaltungen ist knapp bemessen - was ja auch zur Haushaltslage des Landes passt. Bei dem Großteil der Veranstaltungen in der Landesvertretung handele es sich allerdings um externe, die man nicht selbst ausrichtet. Fast die Hälfte der knapp 30 Mitarbeiter in der Botschaft kümmern sich um das Veranstaltungsmanagement.
Und die anderen? "Sie wirken an der Arbeit im Bundesrat mit", erklärt Michael Schneider. Denn das ist die - wenn auch nicht ganz so öffentlichkeitswirksame - Hauptaufgabe der Botschaft. "Dabei bringen sie die Interessen von Sachsen-Anhalt ein." Oder, wie es Margarete Schwarz ausdrückt, die das Land im Bundesratsausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz vertritt und ihr Büro im Neubau der Botschaft hat: "Wir sind auch eine Art Frühwarnsystem." Denn die Beauftragten sitzen nicht nur in den Ausschuss- und Gremiensitzungen des Bundesrates, wo sie Stimmrecht haben - sondern auch im Bundestag. Dort agieren sie als stille Beobachter: Werden Vorhaben besprochen, die Sachsen-Anhalt betreffen könnten, hören sie besonders genau hin und unterrichten später die Landesregierung darüber. Um stets auf dem aktuellen Stand zu sein, pflegen sie zudem Kontakte zu Ministerien, Verbänden und Medien.
Reizende Statuen im Büro
Politiker sind sowieso häufig in Sachsen-Anhalts Domizil zu Gast - derzeit noch mehr als sonst. Denn das Land hat gerade für ein Jahr den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz inne. Manch einer mag dann über prachtvolle Stuckdecken, das holzgetäfelte Kaminzimmer oder die reizenden Statuen im Büro von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) staunen. "Viele sagen, dass es für unsere Ziele keinen besseren Ort geben könnte", sagt der Chef von dem Haus, dessen Neubau direkt an Deutschlands meistbefahrener Eisenbahntrasse liegt. Denn, so Michael Schneider: "Ein Alleinstellungsmerkmal wie die Möwe - wer hat das schon?"
Wer die Landesvertretung in einer Führung besichtigen möchte, sollte sich möglichst in einer Gruppe zusammentun und anmelden (Telefon: 030-2434580).