Tanz in der Volksbühne Zwei Stunden lang Begierde
Constanza Macras rockt die Volksbühne in Berlin.
Berlin/MZ. - Wenn sie nicht längst meisterlich wäre – dieses wäre das Meisterstück der Choreografin, Regisseurin und Autorin Constanza Macras. Die gebürtige Argentinierin, die in Berlin lebt und arbeitet, hat jetzt mit ihrer Compagnie DorkyPark „The Hunger“ an der Berliner Volksbühne herausgebracht. Und dieses Opus für Tanz, Text und Gesang, ein zweistündiger Abriss über die Begierde, ist das, was man einen Hammer nennt. Hinzu kommt der hinreißende Auftritt von Anne Ratte-Polle, die zuletzt im Kino in „Bad Director“ von Oskar Roehler zu sehen war.
Über die Grenzen
Das Tanztheater der Constanza Macras zeichnet sich durch Fantasie, Sinnlichkeit und Perfektion aus. Selbst in der Darstellung eines eigentlich nicht darstellbaren Ausbruchs von Gewalt, einer Grenzüberschreitung also, bleibt die Truppe ästhetisch derart souverän, dass wohl niemand auf die Idee käme zu reklamieren.
Schon das erste Bild stellt die Verhältnisse klar: Hier sind die Bilder mindestens so schräg, wie die uns umgebende Wirklichkeit. Nachdem sich die auf einer Tribüne ruhenden Akteurinnen und Akteure gelöst haben, legen sie, in sexy Badeklamotten gewandet, einen Schuhplattler hin – zu „I bet that you look good on the dance floor“ von den Arctic Monkeys. Das ist technisch sehr anspruchsvoll und umwerfend komisch.
Anarchischer Humor
Ernster wird es, wenn Macras, einem argentinischen Roman folgend, von den Konquistadoren berichtet, die in Südamerika einfielen. Hier kommt ein anarchischer Humor zum Einsatz, der das Unerträgliche zwar nicht erträglicher, aber erkennbar macht. Das getanzte und erzählte Ritual zum Beispiel, bei dem Indigene einen Trupp der Eroberer in eine Falle locken, töten und verspeisen, um hernach wild miteinander zu kopulieren.
Immer wieder geht es um Gier und Begierde mit schrecklichem Ausgang. Wenn Auswüchse der modernen Zivilisation an die Reihe kommen – bis hin zu einer Frau, die sich für einen Wettbewerb zu Tode frisst – kann einem das Lachen schon im Halse stecken bleiben.
Dann tritt Anne Ratte-Polle mit ihrer gar nicht so weit hergeholten Geschichte einer Schauspielerin in mittleren Jahren an, die keine Rollen mehr bekommt, bis man ihr gnädigerweise erlaubt, in ein Kuhkostüm zu schlüpfen. Brüllend komisch und schmerzhaft zugleich.
Nächste Vorstellung an diesem Freitag sowie am 9. u. 18. 10. um 19.30 Uhr, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin-Mitte