„Women in Jazz“ Silje Nergaard, hatten Sie als Jazzmusikerin aufgrund Ihres Geschlechts Probleme?
Sie ist eine der „Women in Jazz“ und empfindet das gleichnamige Festival als eine Bereicherung der Szene. Silje Nergaard kommt am 9. Dezember zum Abschluss nach Halle.

Es ist der Abschlussknüller zum Finale! Das 18. Mal „Women in Jazz“ neigt sich dem Ende. Mehr als 6.000 Gäste haben in diesem Jahr Frauen aus aller Welt in zahlreichen Veranstaltungen rund um Halle miterlebt. Und nun ist Schluss? Noch nicht ganz. Am Sonnabend, 9. Dezember, reist die norwegische Sängerin Silje Nergaard an, um um 19.30 Uhr in der Georg-Friedrich-Händel-Halle die Saison zu beschließen. Gemeinsam mit ihrem Pianisten Espen Berg wird die 57-Jährige ihre Gäste auf Weihnachten einstimmen. Für ihre Christmas-Jazzinspriation gibt es berühmte Vorbilder wie Jessica Quick im Gespräch erfuhr.
Wie fühlt es sich an, in dieser festlichen Jahreszeit aufzutreten?
Silje Nergaard: Ganz besonders! Als ob etwas in der Luft liegt. Die Menschen, das Publikum und wir auf der Bühne – wir schweben in einer ganz anderen Atmosphäre.
Was bedeutet Weihnachten für Sie und welchen Einfluss hat das Fest auf Ihre Musik?
Silje Nergaard: Weihnachten ist für mich vor allem eine Zeit voller schöner Kindheitserinnerungen. Die großen Erwartungen und so viel Aufregung darüber, was passieren wird. Dazu die funkelnden Lichter und der weiße Schnee überall. Und natürlich die Weihnachtsmusik, die wir hören. All das hat mich inspiriert, selbst Christmas-Lieder zu schreiben und aufzuführen.
Gibt es Weihnachtslieder, die für Sie eine besondere Bedeutung haben?
Silje Nergaard: Natürlich. Eines heißt Romjulsdrøm. Sie ahnen es: Das ist norwegisch. Ein Kinderlied, das ich früher selbst oft gehört und gesungen habe. Es wurde von einem sehr berühmten Schriftsteller namens Alf Prøysen geschrieben. Wer neugierig ist, kann es sich bei meinem Konzert anhören.
Schön, dann werden Sie also auch norwegisch singen. Wonach wählen Sie die Lieder für das Weihnachtskonzert aus?
Silje Nergaard: Die meisten sind aus meinem 2010 erschienenen Weihnachtsalbum „If I Could Wrap Up A Kiss“. Wie gesagt, ich wollte meine eigenen Weihnachtslieder schreiben. Ich hatte das Gefühl, dass da draußen einige Themen fehlten.
Etwa die Einsamkeit zu Weihnachten. Trotz all der funkelnden Lichtern kann der Dezember für manche eine schwere Zeit sein. Manche Menschen haben vielleicht gerade jemanden Nahestehenden verloren oder fühlen sich einfach einsam und unglücklich. Und ja, ich singe auch einige norwegische Weihnachtslieder.
Ihre Kinder sind schon erwachsen, aber gibt es in Ihrer Familie eine Weihnachtstradition?
Silje Nergaard: Wir versuchen, einige unserer alten Traditionen fortzuführen. Zum Beispiel gibt es bei uns immer Pinnekjøtt, das ist gepökelte Lammrippe, zu essen.

Am Tag vor Heiligabend zünden wir die Lichter am Weihnachtsbaum an und suchen die versteckte Mandel im Pourage, dem Haferbrei. Wer sie am Ende findet, gewinnt einen Preis!
Wie werden Sie dieses Jahr Weihnachten verbringen?
Silje Nergaard: Wir werden in Bømlo an der Westküste Norwegens feiern. Die ganze Familie wird da sein: mein Mann, seine Mutter sowie Tanten und Onkel. Von Hamar, wo ich aufgewachsen bin, bin ich weiße Kälte und Schnee gewohnt. Aber dort gestaltet sich ein typisches Weihnachtsfest eher windig und regnerisch.
Sie waren schon mehrmals in Halle. Wie hat sich Ihre musikalische Reise seit Ihrem letzten Auftritt hier entwickelt?
Silje Nergaard: Sie entwickelt sich ständig weiter. So wie ich mich als Mensch weiterentwickele. Ich glaube, dass ich jetzt besser singe, entspannter. Ich fühle mich im Laufe der Zeit immer freier von allen Erwartungen und Regeln. Ich bin verspielter und mische Musik und Genre. Es ist spannend.
Mit diesem Konzert beenden Sie das 18. Festivaljahr. Wie wichtig ist es für Sie, an einer Veranstaltung wie „Women in Jazz“ teilzunehmen?
Silje Nergaard: Es ist ein gutes Gefühl, dass wir uns alle gegenseitig ermutigen, inspirieren und uns gegenseitig das Beste wünschen.
Wie sehen Sie die Entwicklung und aktuelle Rolle der Frau im Jazz?
Silje Nergaard: Es gibt so viele großartige Frauen, die Jazz machen, singen und ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Die wichtigste Entwicklung ist meiner Meinung nach, dass immer mehr Frauen Instrumente wie Schlagzeug, Bass usw. spielen. Das gab es früher eher selten. Frauen sollten singen und hübsch aussehen. Es ist Zeit für eine Veränderung.
Hatten Sie während Ihrer Karriere als Jazzmusikerin aufgrund Ihres Geschlechts besondere Herausforderungen?
Silje Nergaard: Ich habe mich als Frau immer stark gefühlt und das Gefühl gehabt, dass die männlichen Kollegen mich respektieren. Als Musikerin war ich überhaupt nicht eingeschränkt.
Welche Jazzkünstlerinnen haben Sie besonders inspiriert oder beeinflusst?
Silje Nergaard: Oh, unbedingt Ella. Sie hat das tollste Weihnachtsalbum: „Ella Fitzgerald Wishes You A Merry Christmas“. Ich liebe auch Julie London, Lizz Wright, Astrud Gilberto und viele mehr.
Welchen Beitrag leistet die Veranstaltung „Women in Jazz“ Ihrer Meinung nach zur Vielfalt und Entwicklung der Jazzmusik?
Silje Nergaard: Es ist gut, ein Festival für Frauen zu haben, es ist ermutigend und inspirierend. Aber hoffentlich brauchen wir es in Zukunft nicht mehr. Wir sind einfach gleichberechtigt, alle spielen und singen – einfach „Leute im Jazz“!
Joy Denalane kommt im nächsten Jahr
Da ist Festivalveranstalter Ulf Herden ein Coup gelungen: Joy Denalane wird am 11. Mai 2024 Teil der „Women in Jazz“ sein. Die Frau, die die meisten mit der Band Freundeskreis, Max Herre und deren Super-Hit von 1999 „A-N-N-A“ verbinden. Gerade hat die deutsche Soul- und R’n’B-Sängerin ihr neues Album „Willpower“ veröffentlicht. Die Auskopplung „Happy“ läuft im Radio in der Dauerschleife.

Joy Denalane hat Herden als eine der deutschen Vertreterinnen der „Essentials Worlwide“ herausgepickt. Essential, also das Wesentliche, so lautet das Motto des 19. Festivals, das vom 3. bis 11. Mai in Halle und Umgebung stattfinden wird. Acht Konzertabende sind geplant. Die Künstlerinnen kommen etwa aus den USA, Italien oder Japan. Wie immer wird es auch den kostenfreien Saale-Jazz, Open-Air-Veranstaltungen und Angebote für den Jazz-Nachwuchs geben. Der Vorverkauf hat vergangene Woche begonnen.