Dokfilm über Künstler-„Rebellinnen“ in der DDR Rand und Band
Wie man wird, die man ist: Ein Film zeigt die Künstlerinnen Cornelia Schleime, Gabriele Stötzer und Tina Bara als „Rebellinnen“ in der späten DDR.

Nicht schon wieder. Nicht noch einmal die alten Ost-Geschichten. Cornelia Schleime musste überredet werden, sich an dem Film zu beteiligen, der jetzt unter dem Titel „Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR“ in den Kinos läuft. Der Blick auf drei junge Künstlerinnen in der späten DDR, deren Gesellschaft schon lange vor 1989 von Westen her als „Osten“ verschlagwortet wurde. Ein Begriff, auf den kein Künstler festgelegt sein wollte. Und nicht festgelegt sein will.
Es ist dann doch ein Glück, dass die Malerin zugesagt hat. Dass sie sich eingelassen hat auf die Kamera, die sie begleitet hat bei Spaziergängen durch Berlin, bei Aufenthalten in ihrem Atelierhaus auf dem Lande. Ein Glück, weil Cornelia Schleime immer überrascht. Ihr Witz, ihre Neugier, ihre kühne Lebendigkeit.
Alles das, was die 1953 in Ostberlin geborene Malerin schließlich aus der DDR getrieben hat, wo ihre Bild- und Performance-Kunst von der Berliner Abteilung des Verbandes Bildender Künstler als „Müllkunst“ verworfen wurde. Heraus nach fünf Anträgen auf Ausreise, die 1984 erst genehmigt wurde, als die Mutter eines Sohnes in einem abgehörten Gespräch von Hungerstreik sprach. Hätte sie gewusst, dass das der Weg ist, sagt Cornelia Schleime im Film, hätte sie das doch schon zwei, drei Jahre früher gesagt.
Am Ende nur noch Körper
Aber niemand, der jung war in der DDR, wusste, wie deren Herrschaft tatsächlich funktionierte. Und wie dieser am besten beizukommen war. Ob das, was einem an Zumutungen widerfuhr, seine Ursachen in äußeren Umständen oder in eigenen persönlichen Mängeln hatte. Jeder Schritt, den man in der DDR selbstbewusst ging, forderte heraus.
Davon erzählt der von der 1967 in Köln geborenen Filmemacherin Pamela Meyer-Arndt gedrehte Streifen. Drei Künstlerinnen, eine Zeit, ein Gelände, das kein „Land“, sondern eine politische Situation war. Mit Cornelia Schleime treten auf: Gabriele Stötzer-Kachold, Jahrgang 1953, Autorin, Malerin, Fotografin in Erfurt, eine Frau, die über die politische Haft zur Kunst kam. Und Tina Bara, geboren 1962 in Guben, einst Geschichtsstudentin in Berlin, die – „Ich war das Küken“ – in die Oppositionsgruppe „Frauen für den Frieden“ geriet, in der sie zu fotografieren begann, 1989 ausreiste und heute als Fotografie-Professorin in Leipzig lebt. Wie Autonomie zu erlangen, zu behaupten und schließlich zu bewahren ist, das ist das Thema des Films.
Verblüffend, wie sehr sich trotz abweichender Bildsprachen die im Film gezeigte Kunst in ihren Anfängen gleicht. Viel wird mit Haar gearbeitet. Sehr oft ist der nackte Körper zu sehen, der sich selbst der „nackten“ Wirklichkeit ausliefert. Tina Bara fotografierte ihre oppositionellen Freundinnen beim Nacktbaden in Mecklenburg. Nackt zeigte sie Freunde und Bekannte. Gabriele Stötzer-Kachold dienten die Körper als Leinwände. Cornelia Schleime verschnürte sich selbst als „Parabel auf das Leben in der DDR“. Leben am Rand, Kunst im Band: der leibhaftig ausgesetzte Körper, das ist hier der Kern von Opposition.
„Es sah aus wie nach dem Krieg“
Auf Tina Baras Fotografien rückt noch einmal die physische und seelische Verlorenheit der End-DDR in den Blick. Schwarzweißbilder aus einer Grau-Situation: Wie handgreiflich der gesellschaftliche Verfall tatsächlich war, wird an den hier gezeigten Häusern, Fabriken und Landschaften sichtbar, die das Gehäuse dieser Jugend waren. Tina Bara über ihre Bilder aus dem Buna-Werk: „Es sah aus wie nach dem Krieg.“
„Rebellinnen“. Das ist ein romantischer, leicht kitschiger, nicht völlig falscher, aber doch ungenauer Titel. Eine politische Rebellin war allein Gabriele Stötzer-Kachold, die in dem Moment, als sie 1976 in Erfurt ihren Namen an die Spitze einer Unterschriftenliste gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann setzte, ahnte, was ihr bevorstand. Ein Jahr politische Haft in Hoheneck war die Folge, die angeordnete Ausreise lehnte sie ab. Künstlerisch rebellisch waren Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer-Kachold dort, wo sie die Konfrontation mit der Herrschaft suchten. Tina Bara, die Jüngste der drei Künstlerinnen, fand ihren Weg im Gehen.
Gesellschaftliche Unbehaustheit, das war eine gemeinsame Grunderfahrung. „Einen Heimatbegriff, der sich an Landschaft knüpft“, sagt Tina Bara, „das hatte ich nie gehabt.“ Gabriele Stötzer-Kachold blieb nach ihrer Haft in Erfurt, wo sie heute lebt. Bleiben, sagt sie, das war eine „Entscheidung“, ein Akt des Widerstehens.
Da staunt der Wessi
Anderthalb Stunden dauert der Film, gedreht mit westdeutschem Stauneblick. Tatsächlich schreibt Pamela Meyer-Arndt in ihrer Erklärung zum Film: „Hätten wir (aus dem Westen) je so viel Freiheitssinn innerhalb der DDR vermutet, wie er von diesen drei Künstlerinnen kommt?“ Nichtwissen, das nach 30 Jahren in Begeisterung umschlägt. Mit Folgen: Waren einst alle Ost-Katzen grau, sind sie auf einmal alle bunt.
Dass sich die im Film gezeigte Kunst, wo sie nicht offen die politische Konfrontation suchte, im Mainstream der sogenannten Ost-Boheme bewegt, bleibt da unbemerkt. Eine Kunst, mit der sich die SED zuletzt auch zu arrangieren wusste: nicht wenige Kunst-Punks waren Kinder der Partei-Elite, geschützt und gefördert. Das Fotografieren von nackten Körpern und leeren Landschaften war keine Ausnahme, sondern die Regel. Was also machte den Unterschied? Aber der Film stellt keine Fragen außer jene, die die Frauen stellen. Das Ganze ist eine Abfolge bruchstückhafter Szenen.
Der Wirkung der Künstlerinnen schadet das nicht. Und nicht ihrer Kunst. Am Ende ist es die entschiedene Selbstbestimmtheit, die den gemeinsamen Nenner ihrer Arbeit bildet. Neugier, Wachheit und Erfahrungshunger. Das ist die Jugend, die bleibt.