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Paukenschlag in Sachsen Auf ins „Coca-Cola-Theater“!

Am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau wird eine besondere deutschlandweite Premiere gefeiert: die Namensvergabe an Sponsoren. Interessenten gibt es schon.

Von Anja Falgowski 10.09.2024, 17:18
Den Schriftzug mit dem Namen des Literaturnobelpreisträgers dürfte es nicht mehr lange am Theater Görlitz-Zittau geben.
Den Schriftzug mit dem Namen des Literaturnobelpreisträgers dürfte es nicht mehr lange am Theater Görlitz-Zittau geben. (Foto: imago /Westend61)

Halle/MZ - Paukenschlag, Donnerhall, revolutionär. Damit wird übertitelt, was das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau als erstes Theater in Deutschland überhaupt ab dieser Spielzeit plant: die Namensrechte des Hauses an Sponsoren zu vergeben. Exklusiv und zunächst für eine Spielzeit. Besuchen die Gäste also demnächst das Coca-Cola-Theater? Das Landskron-Theater (eine regionale Biersorte)? Oder das Bombardier-Theater?

Defizit sechsstellig

Warum nicht? Sagt Intendant Daniel Morgenroth, schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach möglichen Geldquellen. Bereits 2023 hatte er vehement auf die desolate finanzielle Lage aufmerksam gemacht. Damals verwies er auf fehlende 1,3 Millionen Euro des Theaters und ein Haushaltsdefizit von 50 Millionen Euro der Stadt Görlitz. „Alle kommunalen Theater in Sachsen haben enorme finanzielle Probleme“, sagt jetzt der Intendant. Und diese werden sich in naher Zukunft nicht lösen lassen. Dabei, so Daniel Morgenroth, seien die Einnahmen des Theaters gut, die Besucherzahlen durchaus zufriedenstellend. Allein die Zuschüsse fehlen. Unter anderem wegen des massiven Personalkostenanstiegs erwarte das Theater ein Defizit in einem hohen sechsstelligen Bereich.

Und also sei dem Leitungsteam auf der Suche nach Kapital und der Aufforderung, mehr Sponsoren zu finden, diese Idee gekommen. Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann, bislang Namensgeber, hat bald ausgedient. Seine „revolutionäre Idee im Kulturmarketing“ bewirbt das Haus auf seiner Internetseite. „In Deutschland gehen jedes Jahr mehr Menschen ins Theater als ins Fußballstadion. Mit den Namensrechten an unserem Haus erreichen Unternehmen jährlich über 150.000 Zuschauer sowie knapp ein halbe Million Menschen im gesamten Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien. Wir haben mit den beiden großen Häusern in Görlitz und Zittau prachtvolle Immobilien in allerbester Stadtlage, die sich für Werbung hervorragend eignen“, wird der Intendant zitiert. Auch das Wie wird ausführlich erläutert. Unternehmen und Privatpersonen können ein Gebot für die Namensrechte für die Spielstätten in Görlitz und Zittau abgeben, verkauft würden die Rechte an den Häusern sowie Nennung auf der Homepage, in Printprodukten, auf Plakaten und social media-Plattformen. Auch eine Anbringung des eigenen Logos an den Hausfassaden sei möglich, heißt es weiter.

Anfragen lägen schon vor, gibt Daniel Morgenroth auf Nachfrage an, genaueres könne er aber noch nicht sagen. Ausschlusskriterien für die Namensvergabe seien nicht konkret benannt worden: „Der gute Geschmack soll gewahrt bleiben, das ist uns als Theater wichtig.“ Parteien oder politische Gruppierungen freilich kämen nicht zum Zuge. Dass sich unliebsame Kreise über Strohmänner den Zugriff sichern – immerhin können sich auch Privatpersonen bewerben – , glaubt Daniel Morgenroth nicht. Und er weist den Gedanken, dass die Sponsoren Einfluss auf die Inhalte des Theaters nehmen könnten, zurück: „Die künstlerische Freiheit bleibt unberührt. Wir werden weiterhin ein Programm auf hohem künstlerischen Niveau anbieten“.

Genialer Move?

Die Reaktionen auf die Marketing-Premiere fallen unterschiedlich aus. Die Idee sorgte selbstredend für Aufmerksamkeit, immerhin ist diese Art des Sponsorings bislang eher von, zum Beispiel, Sportvereinen bekannt. „Es gab viele negative Reaktionen“, sagt Daniel Morgenroth, „aber einige betrachten die Idee auch als genialen Move.“

Wie und ob überhaupt von genial die Rede sein kann, darüber soll in Görlitz nach der Spielzeit befunden werden. Vielleicht finden sich sogar Nachahmer, schließlich haben Kunst und Kultur überall mit knappen Finanzen zu kämpfen, und das wird sich vermutlich auch nicht so bald ändern. In Halle beispielsweise ist diese Form des Sponsorings vorerst kein Thema: Die Theater, Oper und Orchester GmbH sieht sich momentan so auskömmlich von Stadt und Land bis zum Jahr 2028 finanziert, dass, wie es auf Anfrage heißt, „die Bühnen Halle derzeit keine außergewöhnlichen Kofinanzierungsprojekte mit Einzelakteuren der Privatwirtschaft suchen müssen.“