Kriminalität im Internet Kriminalität im Internet: Bill Gates' Firma half Halles Fahndern

Magdeburg/Halle/MZ. - Zirkeln, von denen die Ermittler um denhalleschen Oberstaatsanwalt Peter Vogt bisdahin lediglich zwei Dinge wussten. Dass derenMitglieder nur ein Interesse teilen: den Tauschvon Bildern und Videos, die den möglichstbrutalen Missbrauch von Kindern zeigen. Und:Dass ein 28-jähriger Magdeburger unter demDecknamen "Marcy" in allen 38 Foren die Fädenin der Hand gehalten hatte.
Jenem Chat-Manager, der mit bürgerlichem NamenMarcel K. heißt, waren die Beamten des LKAund der von Oberstaatsanwalt Vogt geleitetenZentralstelle zur Bekämpfung der Kinderpornografienur dank des Verbandes der deutschen Internetwirtschaftauf die Schliche gekommen. Eine Anzeige gegenden offenbar maßgeblich in illegale Internet-Tauschgeschäfteverwickelten "Marcy" setzte alsbald Sachsen-AnhaltsFahnder in Bewegung. Doch selbst die nähereUntersuchung der im Juli 2002 bei K. beschlagnahmtenComputer ließ die Polizisten noch nicht dasAusmaß ihres Fundes erahnen. "Da waren zwar1000 E-Mail-Adressen gespeichert", so einErmittler. "Aber das hätten ja auch ganz harmloseBekannte sein können."
Waren es nicht. Als Microsoft binnen Monatsfristdie Verbindungsdaten der über das Firmenportalagierenden Internet-Zirkel lieferte, fandensich fast alle der E-Mail-Adressen von MarcelK.s Computer wieder. Plus 25000 weitere Adressenvon Mitgliedern der Kinderporno-Tauschringe.Mittlerweile ermitteln Polizisten und Staatsanwälteüberall auf der Welt gegen die von Sachsen-AnhaltsFahndern enttarnten Verdächtigen. Insgesamtsind 166 Länder betroffen.
In dieser Woche nun schlugen die Beamten inDeutschland zu. Seit Montag wurden in allen16 Bundesländern Durchsuchungen bei 530 ausschließlichmännlichen Tatverdächtigen durchgeführt. Darunterneben Trainern von Kindersportgruppen, Polizistenund einem Pfarrer auch Lehrer. Bei einem Stadtratfanden die Beamten nicht nur die erwartetenBilder und Videos, im Schreibtisch konnteKokain, im Garten mehrere Cannabis-Pflanzensichergestellt werden.
Zum Inhalt der von den Tätern über dasInternet getauschten Bilddateien sagte Zentralstellen-ChefVogt am Freitag: "Es ist eine erschreckende Brutalisierungzu erkennen, wobei die Opfer immer jüngerwerden." Mittlerweile tauchten fast nur nochDarstellungen auf, in denen den Kindern sexuellewie körperliche Gewalt angetan werde. AlsBeispiel nennt Vogt eine auf einem Computerin Rheinland-Pfalz entdeckte Datei, die denMissbrauch eines vier Monate alten Säuglingszeigt.
Microsoft hat unterdessen angekündigt, seineInternet-Zirkel in 28 Ländern schließen zuwollen. Auch in Deutschland sollen die Forenam 14. Oktober abgeschaltet werden. Als Begründungnannte das Unternehmen von Bill Gates denzunehmenden Missbrauch der so genannten Chaträumedurch Pädophile. Intern heißt es, die Operation"Marcy" der Fahnder aus Sachsen-Anhalt habeden letzten Anstoß für die Entscheidung gegeben.