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Krankenhaus Uchtspringe Krankenhaus Uchtspringe: Herbert Grönemeyer auf Werbetour für die Vernunft

Von Jan Wätzold 24.10.2004, 18:30

Uchtspringe/MZ. - Die gerahmten Bilder neben dem Eingang zum Gesellschaftshaus wirken wie Schnappschüsse aus dem Freizeitraum. Junge Leute beim Schwatz. Offene Gesichter, leuchtende Augen. Und wäre da nicht der Film "Das Boot", gäbe es da nicht die vielen längst mehrfach vergoldeten Schallplatten - der Blonde in der Mitte der Fotos würde im Meer der Köpfe untergehen. Weil er genauso unbeschwert wirkt wie die anderen, weil er den gleichen jungenhaften Blick wie sie hat.

Die Bilder sind Erinnerung an einen der früheren Besuche Herbert Grönemeyers im Psychiatrischen Fachkrankenhaus Uchtspringe. Doch auch an diesem Freitag im späten Oktober bewegt sich der Künstler durch die Einrichtung, als treffe nicht der Prominente die Patienten, sondern der Freund die Freunde. Seit drei Jahren bereits wirbt Grönemeyer als Schirmherr der vom Krankenhaus und vom Förderverein "Psychiatrie in Geschichte und Gegenwart" initiierten Veranstaltungsreihe "Mittendrin wir" für einen vorurteilsfreien Umgang mit psychisch Kranken.

Statt dabei nur den "Grüß-August" mit dem schillernden Namen zu mimen, nutzt der Musiker und Schauspieler jeden seiner Besuche zu Begegnungen und langen Gesprächen mit den Patienten. "Menschen, die ich ebenso gut in einer Rheumaklinik oder beim Zahnarzt treffen könnte", meint Grönemeyer. Nicht mehr und nicht weniger als Krankheiten am Körper seien die geistigen Defekte für ihn.

Weil Grönemeyer aber aus eigener Erfahrung weiß, dass psychische und physische Leiden für den Großteil der Gesellschaft noch immer zwei Paar Schuhe sind, kämpft er in Uchtspringe auch ohne Mikro für den Einzug der Normalität im Umgang miteinander.

Im großen Saal des Gesellschaftshauses, wo er am Abend gemeinsam mit der Schauspielerin Katrin Saß, dem Karikaturisten Manfred Bofinger und dem ehemaligen Chefarzt Dr. Gerhard Schulz diskutiert, redet Grönemeyer ohne Scheu über die eigenen Erfahrungen mit der Psychiatrie: "Als ich in kurzer Zeit meine Frau und meinen Bruder verlor, konnte mir nur ein Fachmann helfen." Ein Gang nach Canossa, wie bei vielen anderen, sei es für ihn nicht gewesen: "Wer Probleme mit der Leber hat, versucht doch auch nicht, allein klar zu kommen."

Katrin Saß allerdings musste Probleme mit dieser Logik einräumen. Nicht allein habe sie selbst ewig gewartet, bis sie ihre Alkoholsucht professioneller Hilfe anvertraute. "Ich scheue heute noch davor zurück, Kollegen in einer ähnlichen Lage Ratschläge zu geben", so die Hauptdarstellerin aus "Good Bye, Lenin!". Auf den Hinweis von Moderator und ARD-Redakteur Jörg-Dieter Kogel, ihre Bekanntheit ähnlich wie Grönemeyer in den Dienst der Aufklärung stellen zu können, versprach Katrin Saß allerdings ernstes Nachdenken.