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Kraftfahrer Kraftfahrer: Plötzlich sah Peter Liedtke weiße Elefanten

Von Jan Wätzold 10.07.2003, 18:53

Harzgerode/MZ. - Das Ende auf der Autobahn hat der drahtigeMann schon mehrfach durchgespielt. "Erst kommeneinem Menschen oder weiße Elefanten entgegen,dann die Leitplanke", erinnert sich Liedtkean seine Gewaltfahrten durch Deutschland undEuropa. Die Kunst habe stets darin bestanden,die Traumgebilde von den echten Hindernissenzu unterscheiden. "Zumindest bei den Leitplankenlag ich immer richtig." Nach häufig zwölfStunden hinter dem Lenkrad sei die Übermüdungso stark gewesen, dass er sich heute nochwundere, nie einen Unfall gebaut zu haben.

"Hätte ich, wäre ich sicher dran gewesen".So formuliert Liedtke die Vermutung, dassihn seine Arbeitgeber dann ebenso im Regenhätten stehen lassen wie nach Kontrollen durchdie Polizei oder die Mitarbeiter des Bundesamtesfür Güterverkehr. An beide Behörden hat derHarzgeroder schon eine Menge Geld zahlen müssen- wegen Nichtbeachtung der für Kraftfahrervorgeschriebenen Ruhezeiten ebenso wie wegentechnischer Mängel an den von ihm gelenktenLkw. "Anfangs habe ich noch die Chefs gefragt,wer die Strafe zahlt", erinnert sich Liedtke.Später habe er sich das gespart, die Antwortsei ohnehin immer dieselbe gewesen: "Sie kennendoch die Straßenverkehrsordnung und wissenum ihre persönliche Verantwortung."

Nur, dass davon während der Auftragserteilungnie die Rede war. Im Gegenteil. Bei einerTransportfirma im Nachbarort, die als Subunternehmenfür eine Hamburger Spedition tätig war, gehörtezu Liedtkes Unterlagen stets auch ein aktuellerUrlaubsschein. Das Papier sollte während einerKontrolle bestätigen, dass der Fahrer denersten Tag wieder am Start sei und deshalbnicht - wie vorgeschrieben - die Fahrtenschreiber-Scheibender letzten drei Tage vorlegen kann. Ein Blickauf die der Überprüfung von Ruhezeiten undGeschwindigkeit dienenden Karten hätte gezeigt,dass Liedtke kaum eine Tour ohne Verstößeabsolvierte.

Eine Erfahrung, die der 41-Jährige mit etlichenjener Kraftfahrer teilt, die hierzulande anregionale Fuhrunternehmen vermittelt werden.Häufig ist die finanzielle Förderung des Arbeitsamtesdie einzige feste Größe, mit der die Firmenchefsrechnen können. Lukrative Touren im Nahbereichsind aufgrund der anhaltenden Krise der Baubrancherar, Fernfahrten werden oft nur noch von großenSpeditionen untervermittelt. Mit Abschlägen,die Unternehmer durch Sparexzesse bei Personalund Material zu kompensieren versuchen.

Liedtke etwa ist fast ein Jahr lang mitüberbrückter Sicherung bis nach Dänemark gefahren.Dass an dem altersschwache MAN dadurch nurdas Standlicht funktionierte, haben nichteinmal die Polizisten gemerkt, die den Harzgeroderjeweils auf der A 2 am Rasthof Garbsen zurKontrolle winkten.

Fernfahrer war stets Liedtkes Traumberuf gewesen,ist es noch immer. Obwohl er bei drei Firmenim Harz mehrfach "die Ochsentour" mit unmöglichenTerminfahrten durchmachen musste, glaubt ernoch immer an seine große Chance. Seit Januar2002 ist der Vater zweier Kinder zu Hause.Mit den lokalen Unternehmen, die im örtlichenArbeitsamt offene Stellen anbieten, will ernichts mehr zu tun haben. Liedtke träumt voneiner richtigen Spedition - "eine, bei derdie Autos auch den Tüv verdienen und wo währendder Touren auch mal Zeit zum Ausruhen odersogar zum Duschen bleibt."