«Klasse Allgemeinmedizin» «Klasse Allgemeinmedizin»: Vorbereitung auf das Landleben
Halle (Saale)/MZ. - Thomas Dörrer formuliert es drastisch: "Wenn ich mich in 20 Jahren nicht totarbeiten möchte, muss ich mich um den Nachwuchs kümmern", sagt der 35-Jährige Hausarzt. Der Allgemeinmediziner hat eine Praxis in Zscherben (Saalekreis). Und er ist Lehrarzt im Pilotprojekt "Klasse Allgemeinmedizin", das helfen soll, den Landarztmangel in Sachsen-Anhalt zu lindern.
Die Idee: Medizinstudenten sollen ab ihrem ersten Semester von einem Hausarzt als Mentor betreut werden und in dessen Praxis Erfahrungen sammeln. Und sie sollen dabei nicht nur auf den Beruf vorbereitet, sondern auch für den Job begeistert werden, wenn es nach Andreas Klement von der Sektion Allgemeinmedizin der Universität Halle geht, der das Projekt ins Leben gerufen hat. In dieser Woche trafen sich erstmals Teilnehmer des Vorhabens - 20 Studenten, ihre Lehrärzte und Dozenten der medizinischen Fakultät, um sich gegenseitig kennenzulernen.
Nach Angaben der kassenärztlichen Vereinigung werden in den nächsten zehn Jahren jährlich 50 Vollzeitmediziner als Hausärzte in Sachsen-Anhalt fehlen. Derzeit seien es aber nur 20 Mediziner jährlich, die die Facharztprüfung Allgemeinmedizin ablegten. Im Saalekreis, sagt Dörrer, sei die Unterversorgung schon jetzt zu spüren.
Wenn aber ein Hausarzt immer mehr Patienten betreuen müsse, mache der Beruf, den er persönlich als den "geilsten Beruf, den es gibt" bezeichnet, keinen Spaß mehr. Also ist Dörrer nun Lehrarzt. Er will seine Begeisterung für die Arbeit in einer Landarztpraxis weitergeben. "In kleineren Orten hören die Leute noch auf die Ratschläge ihres Arztes. In der Stadt werden diese eher als Bevormundung aufgefasst und der Arzt gewechselt", sagt Dörrer. Hier wie da seien es aber die abwechslungsreiche Tätigkeit als Hausarzt und die langjährige Betreuung von Patienten, die den Reiz des Berufs ausmachten.
Und wie sehen das die Studenten? Immerhin 40 der mehr als 200 Studienanfänger im Fach Humanmedizin haben sich Angaben von Klement für die "Klasse Allgemeinmedizin" beworben. "Ich hoffe, dass das Projekt mir hilft, mich auf den Berufsalltag vorzubereiten", sagt Lisa Leibnitz. Die 25-Jährige ist ausgebildete Rettungssanitäterin und ist nun für das Studium von Berlin nach Halle gezogen. "Allgemeinarzt ist ein spannender Beruf", sagt Leibnitz zu ihrer Wahl.
Die Teilnehmer der "Klasse Allgemeinmedizin" werden in ihrem Studium wie alle Studenten auch die übrigen Fachgebiete der Medizin kennenlernen. Aber in der Allgemeinmedizin sollen sie neben den Praxistagen bei ihrem Lehrarzt auch an Kursen bei ihren drei Klassenlehrern Thomas Steger, Jörg-Friedrich Onnasch und Claudia Langosch teilnehmen. Dabei sollen sie zum Beispiel in den Bereichen Patienten-Untersuchung und Kommunikationstraining geschult werden.
Die Kosten für das Projekt veranschlagen die Initiatoren auf 55 000 Euro jährlich. Gefördert werde das Projekt unter anderem vom Landeshausärzteverband, der Apotheker- und Ärztebank und der Medizinischen Fakultät, so Klement. Anfang 2012 sollen die Studenten die ersten zwei Lehrtage bei ihren Mentoren verbringen. Bis sie sich selbst als Arzt niederlassen können, werden aber mindestens elf Jahre vergehen. Die Initiatoren der Klasse Allgemeinmedizin hoffen, dass möglichst viele ihrer ausgewählten Studenten auch bis dahin an der Idee Hausarzt zu werden, festgehalten haben.