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Karneval in Sachsen-Anhalt Karneval in Sachsen-Anhalt: Närrischer Aufschwung

Von Ralf Böhme 11.02.2015, 20:09
In Sandersdorf (Anhalt-Bitterfeld) fand der Karnevalsumzug bereits Anfang Februar statt. Das Prinzenpaar Anika und René grüßte das närrische Volk.
In Sandersdorf (Anhalt-Bitterfeld) fand der Karnevalsumzug bereits Anfang Februar statt. Das Prinzenpaar Anika und René grüßte das närrische Volk. Ruttke Lizenz

Halle - Karnevalsmüdigkeit? Für Peter Bornemann, Vizepräsident des Landeskarnevalsverbandes, ist das Gerede. „Wer so etwas sagt, war noch nicht bei einem Rosenmontagsumzug in Sachsen-Anhalt.“ Die Leute, so seine Erfahrung, machen richtig gut mit, verkleiden sich und feiern genauso gerne wie die Narren im Rheinland. Da sehe man, sagt der Ingenieur aus Bobbau (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) augenzwinkernd, dass die Kopie nicht schlechter als das Original sein müsse.

Karneval im Osten sei genau wie im Westen natürlich immer auch eine Glaubensfrage, so der 61 Jahre alte Bornemann, aber das hänge nicht zwangsläufig mit einem Religionsbekenntnis zusammen. Wie er seien wohl die meisten Narren hierzulande Atheisten. „Nein, es ist die deutsche Einheit und die damit verbundene Freiheit, die uns und dem Karneval gut tut.“ Der karnevalistische Aufschwung in Sachsen-Anhalt jedenfalls sei zu 100 Prozent gelungen.

Und die Zahlen scheinen Bornemann recht zu geben. Das Land zählt inzwischen rund 17 000 aktive Narren, trotz Geburtenknick und Abwanderung. Im Vergleich der jungen Bundesländer liegt Sachsen-Anhalt neben Thüringen an der Spitze. Eine rasante Entwicklung ist Bornemann zufolge auch bei den Vereinen zu verzeichnen - von 32 Anfang der 1990er Jahre auf mittlerweile fast 200.

Einige Karnevalshochburgen gibt es im Lande, die größten in Halle, Köthen und Dessau-Rosslau. Warum es in Magdeburg nicht vorangeht, erscheint vielen in der Szene als Rätsel. Ob in der Landeshauptstadt jemals ein Rosenmontagsumzug stattfindet, steht in den Sternen. Bislang jedenfalls mussten die Magdeburger immer in die Röhre gucken.

Hunderttausende Zuschauer

Unterm Strich jedoch ziehen landesweit karnevalistische Veranstaltungen Jahr für Jahr einige hunderttausend Zuschauer in ihren Bann. Allein in Halle werden am Rosenmontag laut Veranstaltungssprecher Volker Rosenau rekordverdächtige 3 000 Teilnehmer durch die Stadt ziehen. Unterwegs bringen sie fünf Tonnen Süßigkeiten unter die Leute, auch mehrere tausend Würstchen und lassen jede Menge echten Konfetti regnen. Doch das ist nicht die ganze Botschaft: 40 Vereine aus der Region wollen etwa 200 selbst gestaltete Bilder zu aktuellen Problemen präsentieren.

Dass dabei auch die Akteure im Rathaus ihr Fett wegbekommen, ist für Bornemann selbstverständlich. Im Wettstreit um die Gunst des Publikums müssen sich die halleschen Karnevalisten harter Konkurrenz aus der nächsten Umgebung stellen, vor allem aus Köthen. Auch dort sind beispielsweise die jüngsten Teilnehmer kaum zweieinhalb, die ältesten weit über 80 Jahre alt. Unter dem Motto „Vom Kinderheld zum Superstar“ bringt die 1. Köthener Karnevalsgesellschaft Kukakö in diesem Jahr einen dreieinhalbstündigen Umzug auf die Straße. Das ist Landesrekord. Umzugsleiter Eckhard-Bodo Elze: „Karnevalisten haben etwas zu sagen. Das tun sie auf 140 Bildern.“ Es sind fast viermal so viel wie vor 20 Jahren.

In welcher Stadt noch Luft nach oben ist und welche Premieren es geben wird, lesen Sie auf Seite 2.

Noch Luft nach oben sieht der Präsident des karnevalistischen Festkomitees in Dessau, Klaus Böttcher. Der knapp dreistündige Umzug, der traditionell schon am Sonntag vor Rosenmontag stattfindet, soll künftig noch größer werden. Unter anderem könnten mehr Schulen mitmachen, aber auch die Schiffer aus Roßlau.

Das diesjährige Motto „Zusammenstehen, das ist unser Ziel“ ist zugleich eine Reaktion auf den im Lande anstehenden Generationswechsel. Vielerorts, sagt Vizepräsident Bornemann, habe man sich bereits darauf eingestellt. Fast jeder Verein investiere viel Zeit und Kraft in die Kinder- und Jugendarbeit. Vor allem in den ländlichen Gegenden mit wenig kulturellen Angeboten zahle sich das aus. Bornemann: „Die Hälfte der Vereinsmitglieder ist dort nicht älter als 18 Jahre.“ Ferienlageraufenthalte im Zeichen der Narrenkappe gibt es schon seit vielen Jahren. Künftig wolle der Landesverband speziell für diesen Kreis verstärkt Werkstätten für Büttenredner, Sänger oder Tänzer anbieten.

Und auch sonst sei die Zeit für Premieren noch lange nicht vorbei. „Jetzt sind wir dabei, unsere Präsenz in den sozialen Medien aufzuwerten.“ Für manches altgediente Elferratsmitglied sei das zwar eine Riesenherausforderung. Aber man habe gemerkt, dass junge Leute via Facebook am einfachsten und am schnellsten erreichbar seien.

Erfolgreiche Sponsorensuche

Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes agieren die Karnevalisten bei der Sponsorensuche offensichtlich erfolgreich. Mit dem Ostdeutschen Sparkassenverband und Schierker Feuerstein sind zwei Schwergewichte mit auf dem Narrenschiff unterwegs. Hinzu kommen das Handwerk und der Mittelstand, deren Vertreter oft selbst Akteure in den Vereinen sind.

So trägt Gunter Heise, früherer Rötkäppchen-Chef aus Freyburg, stolz den Verdienstorden des Bundes Deutscher Karneval - in Gold mit Brillanten. Auch die Politik hat das närrische Wählerpotenzial erkannt. Zwar Zielscheibe des Spotts diverser Büttenredner, lacht Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit und lässt sich alljährlich in der Staatskanzlei im Kreise der Karnevalisten ablichten. Und dass er im April zum 25-jährigen Jubiläum des Landeskarnevalsverbandes in Aschersleben gratuliert, gilt als ausgemacht. (mz)

Ob es regnet oder schneit, jetzt treibt es den närrischen Frohsinn hinaus auf die Straßen und Plätze. Am Donnerstag beginnt der Straßenkarneval mit der Weiberfastnacht. Halle und Köthen erwarten Zehntausende zu den Rosenmontagsumzügen. In Dessau findet der Umzug schon am Sonntag statt.
Ob es regnet oder schneit, jetzt treibt es den närrischen Frohsinn hinaus auf die Straßen und Plätze. Am Donnerstag beginnt der Straßenkarneval mit der Weiberfastnacht. Halle und Köthen erwarten Zehntausende zu den Rosenmontagsumzügen. In Dessau findet der Umzug schon am Sonntag statt.
dpa Lizenz