Justizvollzug Justizvollzug: Arbeit ersparte dem Land 90 700 Hafttage
Merseburg/Halle/MZ. - "Das soll dochBuße sein und kein Erholungsurlaub", schimpftAxel Klein. Wer gemeinnützige Arbeit leistet,satt seine Strafe abzusitzen oder eine Geldbußezu bezahlen, der soll auch schwitzen bei derArbeit. Da ist der Leiter des Tierheimes Merseburgknallhart. "Das soll doch auch ein sichtbaresArbeitsergebnis bringen, sonst lachen sichdie Täter doch ins Fäustchen", meint der 44-Jährige."Wo bleibt da der Erziehungseffekt?"
Axel Klein hat schon "die dollsten Sachen"erlebt. Da sollte einer 76 Stunden ableisten,erschien aber mit seiner Freundin, die fürihn arbeiten sollte. "Natürlich machte ichda nicht mit", so der Tierheimleiter. "DerTyp verschwand auf Nimmerwiedersehen." Anderesagten unumwunden: "Zu Ihnen kommen wir nichtmehr, hier müssen wir ja richtig rackern",erzählt Klein und fragt sich: "Was heißt abrackernbeim Saubermachen von Buchten und Zwingernoder beim Fensterputzen?" Einen jungen Mannmit 240 Arbeitsstunden setzte er zum Rasenmähenein. "Das war ihm bei der Hitze zu anstrengend."Nach nur 35 Arbeitsstunden haute er ab. "Alleskeine Einzelfälle", versichert Klein, auchwenn "die meisten, die herkommen, auch ordentlicheArbeit leisten."
Ein Drittel der Leute, die der soziale Dienstder Justiz zu ihm ins Tierheim schickt, "könntenihre Geldstrafe bezahlen", schätzt Klein.Stattdessen höre er öfter den Satz: "Das schwitzeich doch lieber auf einer Arschbacke ab."Wie der Bauingenieur, der seine Geldstrafewegen Fahrens ohne Führerschein in 200 Arbeitsstundenhatte umwandeln lassen und im Mercedes vorfuhr.Klein ließ ihn mit Spitzhacke und Schaufeleinen Kabelgraben ausheben. "Nach vier Tagenhatte der die Schnauze voll und ging."
Axel Klein hat sich damit abgefunden, dasser auch schon mal als "Schinder" beschimpftwird. Aber er will sich nicht damit abfinden,dass "die sich wegtricksen können, zum sozialenDienst der Justiz rennen, jammern und gleicheine andere Arbeit bekommen", wie er meint.Jedenfalls habe er "ewig keinen Sozialarbeiterhier gesehen, der mal nach dem Rechten sieht".
Fabian Herbert vom zuständigen sozialenDienst der Justiz in Halle schüttelt den Kopf:"Ich will gar nicht wegreden, dass es solcheFälle gibt", sagt er. "Aber die betreffendenVereine und Einrichtungen, in denen die Leutearbeiten, wissen ganz genau, wie sie uns erreichenund informieren können, wenn es Probleme gibt.Die meisten tun das auch, das läuft relativgut."
Als Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaftder Sozialarbeiter des sozialen Dienstes hatFabian Herbert den Überblick über viele Problemfelder.Vielerorts betreue ein Sozialarbeiter 100bis 120 Fälle, bei rund 40 davon gehe es umgemeinnützige Arbeit. "Da ist nicht immerdie Zeit, sich um jeden Menschen adäquat zukümmern", erläutert Fabian Herbert.
Bei etwa einem Drittel der Leute helfen aberalle Bemühungen nichts, so die Erfahrungswertevieler Sozialarbeiter. Dann gehen die Aktenmit den leeren Stundenzetteln als nicht erledigtan die Staatsanwaltschaften zurück. Dann werdendie Straftäter vom Gericht letztlich dochzur Kasse gebeten oder müssen ins Gefängnis,wenn sie zum Beispiel die gemeinnützige Arbeitals Bewährungsauflage nicht erfüllt haben.
"Jeder hat es selbst in der Hand, ob er dieAuflage oder selbst gewählte Ersatzstrafeerfüllt oder nicht", stellt SozialarbeiterHerbert klar. Manche kämen noch nicht malzum ersten Gesprächstermin. "Nach der drittenerfolglosen Einladung mache auch ich den Aktendeckelzu." Allerdings gäbe es auch sehr verschiedeneGründe, warum die Arbeit nicht aufgenommenoder plötzlich abgebrochen wird. Mitunterbekomme beispielsweise ein verurteilter Arbeitslosergerade wieder einen neuen Job und beantragedann Ratenzahlung der Geldstrafe statt gemeinnützigeArbeit.
Unterm Strich wurden so von insgesamt 222000im letzten Jahr von Richtern verhängten Arbeitsstundenim Bereich des sozialen Dienstes Halle nur125100 Stunden abgeleistet.
Vielleicht ist das auch ein Grund dafür,warum nach einer Umfrage unter Straf- undJugendrichtern in Sachsen-Anhalt nur 18 Prozentvon ihnen "ambulante Sanktionen gegenüberHaftstrafen als eine sinnvolle Alternative"ansehen. 39 Prozent sind unentschlossen. Undfür 43 Prozent der Richter sind solche Sanktionensogar keine Alternative zu Haftstrafen. Dableibt noch viel Arbeit.