1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Jugendbauhütte Quedlinburg: Jugendbauhütte Quedlinburg: Ein Pilotprojekt macht Schule

Jugendbauhütte Quedlinburg Jugendbauhütte Quedlinburg: Ein Pilotprojekt macht Schule

21.11.2001, 12:15
Jugendbauhütte in Quedlinburg
Jugendbauhütte in Quedlinburg dpa

Quedlinburg/dpa. - Im Haus Goldstraße 25 haben Bauleute dieRegie übernommen. Es wird gemessen und gehämmert, Lehmwändeeingerissen und Bauschutt beseitigt. Doch es sind keine normalenHandwerksgesellen, die hier arbeiten - sechs junge Leute zwischenAbitur und Studium, zwischen Schulabschluss und Berufsausbildungwollen das altersschwache Fachwerkhaus in Quedlinburg sanieren unddort Ferienwohnungen einrichten. In knapp zwei Jahren soll es wiederzum Schmuckstück werden.

Die jungen Leute gehören zu einem bundesweit einmaligen Projekt.Am 1. September 1999 hatte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mitSitz in Bonn in der Weltkulturerbestadt Quedlinburg die ersteJugendbauhütte der Bundesrepublik gegründet. Das «Freiwillige Jahr inder Denkmalpflege» war geboren. Schul- und Studienabgänger konntensich bewerben und Erfahrungen im traditionellen Handwerk sammeln.

Seitdem sind 102 junge Leute durch die Jugendbauhütte gegangenoder gerade daran beteiligt. «Bauhütten», sagt Klaus Trouet von derDenkmalsstiftung, «hat es schon im 8. Jahrhundert gegeben. IhrGedanke war die Verbindung der Handwerksgewerke unter einem Dach.»Die Denkmalsstiftung habe diese Idee der Bauhütten übernommen, auchum junge Leute an die Denkmalpflege heranzuführen und sie für denErhalt der alten Handwerkskünste und Bauwerke zu sensibilisieren.

Das Objekt Goldstraße 25, ein im traditionellen Fachwerkbauerrichtetes Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert, stand kurz vor demAbbruch. Nach einem misslungenen Sanierungsversuch 1994 passierteerst einmal nichts. Jahre des Verfalls folgten. Dann kaufte dieDenkmalsstiftung das Gebäude und legte es sozusagen der Bauhütte zuFüßen - erstmals gibt es nun ein Objekt, das ausschließlich von denjungen Leuten betreut und saniert wird. Die Bauhütte hat ihre eigene«Hütte» bekommen. Zuvor waren die jungen Leute stets an verschiedenenProjekten im Einsatz und unterstützten dort die Handwerksbetriebe.

«Hier in dem Haus macht es sehr viel Spaß», berichtet Maria Sperl.Die 20-jährige ist bereits ausgebildete Tischlerin und wollte nochandere Gewerke kennen lernen. «Das Faszinierende daran ist das Wesender Denkmalpflege, dass es darum geht, Altes zu erhalten, nichtabzureißen und einfach neu zu bauen», sagt die junge Frau ausWaiblingen bei Stuttgart. Für sie ist bereits klar, dass sie auchspäter in der Denkmalpflege arbeiten will.

Anders Johann Hildebrandt aus Hamm in Westfalen. Er nutzt dieJugendbauhütte als Orientierung und Sprungbrett. «Mein Ziel ist einStudium der Architektur», sagt der 21-Jährige. Zwischen Schule undStudium wollte er etwas Praktisches machen. Auch die 19-jährigeAbiturientin Anne Hartzsch aus Frankfurt/Oder will das Jahr alsOrientierungsphase nutzen, danach soll es ebenfalls in RichtungDenkmalpflege weiter gehen.

Bei dem Projekt arbeitet die Denkmalsstiftung mit bewährtenPartnern zusammen. Die Betreuung der Bauhüttenleute haben dieInternationalen Jugendgemeinschaftsdienste übernommen. FachlicheAnleitung wie auch die neben den praktischen Arbeiten laufenden Kursebietet das Deutsche Fachwerkzentrum Quedlinburg, eine Einrichtung zurPflege des Fachwerkbaus. Die jungen Teilnehmer, die mittlerweile ausder ganzen Republik und sogar aus dem Ausland kommen, wohnen währenddes Freiwilligen-Jahres in Quedlinburg und erhalten für ihre Arbeitein ansprechendes Taschengeld.

Obwohl noch nicht als Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege vomBund anerkannt und entsprechend mitfinanziert, macht das BeispielQuedlinburg bereits Schule. Die Denkmalsstiftung war von den gutenErfahrungen so angetan, dass im September sie drei weitereJugendbauhütten einrichtete - in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern), imhessischen Romrod und im nordrhein-westfälischen Rheinberg.