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Jäger-Munition Jäger-Munition: Wildschwein soll bleifrei werden

Von Ralf Böhme 01.04.2014, 18:21
Noch bevorzugen viele Jäger traditionelle, bleihaltige Geschosse. Die Patronen unterscheiden sich äußerlich kaum von der bleifreien Munition mit rötlichen Kupferspitzen.
Noch bevorzugen viele Jäger traditionelle, bleihaltige Geschosse. Die Patronen unterscheiden sich äußerlich kaum von der bleifreien Munition mit rötlichen Kupferspitzen. Andreas Stedtler Lizenz

Landsberg/MZ - Sau tot! Halali! So weit, so gut - aber eine Frage bleibt noch: Ist das Wildschwein verbleit oder bleifrei? Das beschäftigt aktuell Jäger und Politiker in Sachsen-Anhalt. Es tobt ein heftiger Streit, manches gerät fast zur Glaubensfrage. Um besser Bescheid zu wissen, testet Andreas Best seit gut zwei Jahren neue, bleifreie Jagdmunition. Seit zwei Jahren notiert der Jäger aus Landsberg (Saalekreis) jeden Schuss und dessen Folgen. Die Präzision der neuen Munition stellt ihn bis heute nicht zufrieden.

Und jetzt das: Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens (CDU) geht plötzlich in die Offensive, macht sich kurz vor der Sitzung der Agrarminister, die morgen in Cottbus (Brandenburg) beginnt, für ein generelles Verbot von Bleimunition stark. Sie sei für ihn ein „Auslaufmodell“. Gesundheitliche Risiken für die Verbraucher von Wildfleisch müssten durch eine bundesweit einheitliche Regelung minimiert werden, so der Appell von Aeikens. Allerdings sieht der Minister erst seit kurzem Grund zur Eile - anders als etwa seine Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern oder Nordrhein-Westfalen, die schon lange ein Verbot von Bleimunition anstreben.

Aeikens beruft sich jetzt auf eine neue, von Sachsen-Anhalt unterstützte Untersuchung des Bundesinstitutes für Risikobewertung. Das Ergebnis: Wild, das mit Bleimunition erlegt worden ist, weist einen deutlich erhöhten Bleigehalt auf. Das kann, so die Wissenschaftler, vor allem Schwangeren und Kindern gefährlich werden. Den Erkenntnissen liegt die Bewertung von weit mehr als 2 000 erlegten Tieren zugrunde.

Fluchtstrecken und Tiergewichte

Weidmann Best ist dennoch empört über Sachsen-Anhalts Jagdminister: „Nein, das ist alles kein Meisterschuss, ich fühle mich von seiner Verbotsforderung überfahren.“ Aeikens rede so, als gäbe es die bundesweiten Munitionstests gar nicht, zu denen Best und auch andere Jäger aus der Region beigetragen haben. Nicht zum Spaß habe man beispielsweise die jeweilige Lage der Treffer, die Schusswinkel und auch die Fluchtstrecken und die Tiergewichte vermessen. Nach den Erfahrungen der Teilnehmer sollen die seit 100 Jahren bewährten Bleipatronen den bleifreien Neuentwicklungen trotz mancherlei Veränderungen im Detail immer noch deutlich überlegen sein. Insofern sei das Loblied auf bleifreie Munition, das Aeikens auf einmal anstimme, Zukunftsmusik.

Dabei hätte sich Best, der seit fast 30 Jahren mit Jagdwaffen und Munition handelt, aus geschäftlichem Interesse sogar gerne ein anderes Ergebnis der Testreihe gewünscht. Die Umstellung auf bleifreie Munition, glaubt der Jagdausrüster, würde seine Kasse nämlich richtig klingeln lassen. So müssten sich viele Jäger laut Best wahrscheinlich neue, dafür besonders geeignete Büchsen zulegen. Aus seiner Sicht ist der Gasdruck, den bleifreie Munition bislang entwickelt, zu stark für herkömmliche Läufe. Viele Flinten, teils wahre Kunstwerke, würden über Nacht zu reinen Museumsstücken.

Best mahnt: „Bevor ein Blei-Verbot kommt, muss vieles reiflich überlegt werden.“ Vor allem um die Präzision sei es nicht besonders gut bestellt. Den Geschossen auf Zinn- oder Kupfer-Basis fehle das Gewicht, um optimale Kraft zu entfalten. Abweichungen von ein bis zwei Zentimeter auf 100 Meter Flugbahn sind für Best „einfach zu viel“. Ein sauberer Schuss falle schwerer. Deshalb rate er der in Cottbus tagenden Ministerrunde: „Lasst den Entwicklern die erforderliche Zeit, auch für konstruktive Verbesserungen.“

Klare Vorgaben für Hersteller

Wilko Florstedt, Geschäftsführer des rund 8 600 Mitglieder zählenden Landesjagdverbandes in Sachsen-Anhalt, kritisiert: „Ja, es gibt Munition auf dem Markt, die nicht den Ansprüchen der Jäger genügt.“ Deshalb werbe man für klare gesetzliche Vorgaben an die Hersteller, um das Wild auch künftig sicher erlegen zu können. Es gehe nicht an, dass der Schütze zwar trifft, das Tier aber noch fliehen kann und dann irgendwo verendet. Mit dieser vielfach gemachten Erfahrung erklären beispielsweise auch die deutschen Berufsjäger ihre ablehnende Haltung zu bleifreier Munition.

Doch Umweltschützern geht es nicht nur um die hohe Bleibelastung im Wildfleisch, sondern auch bei gefährdeten Vögeln wie beispielsweise dem Seeadler. Jeder Vierte stirbt vermutlich an einer Bleivergiftung, unter anderm weil er bleibelastetes Aas gefressen hat. Annette Leipelt von Naturschutzbund Sachsen-Anhalt will Jägern die „Ignoranz“ nicht durchgehen lassen. Für die Umweltschützerin steht schon länger fest, dass Bleimunition eine Belastung für Mensch und Natur darstellt und verboten gehört.

Joachim Schröder aus Teutschenthal, der der Jägerschaft vorsteht, hält die Warnungen hingegen für übertrieben. „Wenn überhaupt, sind nur Leute gefährdet, die beinahe täglich und dann viel verbleites Wildfleisch essen.“ Seine Zweifel bezieht der Jäger auch auf die Wirksamkeit des von Aeikens ins Spiel gebrachten Blei-Verbotes. Schließlich kommen 80 Prozent des Wildbrets ihm zufolge aus Osteuropa, wo es noch nicht einmal eine Diskussion über bleifreie Patronen gebe. „Wir Jäger hängen nicht am Blei und wollen nur, dass Munition funktioniert.“

Wildschwein
Wildschwein
dpa Lizenz