Interview mit Sozialstaatssekretärin Anja Naumann Interview mit Sozialstaatssekretärin Anja Naumann: "Die zusätzlichen Kosten trägt das Land"

Magdeburg - In vielen Kommunen explodieren derzeit die Gebühren für Kinderkrippe, Kindergarten und Hort. Eltern gehen dagegen - wie in dieser Woche im Mansfelder Land - auf die Straße. Bürgermeister argumentieren, Schuld an der Kostensteigerung sei das vor eineinhalb Jahren in Kraft getretenen neue Kinderförderungsgesetz. Mit der Staatssekretärin im Sozialministerium, Anja Naumann (SPD), sprach darüber MZ-Redakteur Hendrik Kranert-Rydzy.
Frau Naumann, aus den Kommunen heißt es, Ursache für die Kostenexplosion bei den Kita-Gebühren sei das neue Kinderfördergesetz. Stimmt das?
Naumann: Dass die Kommunen das behaupten, das stimmt. Aber die Behauptung ist falsch. Das Kinderförderungsgesetz ist vielmehr Anlass, die Gebührenkalkulation in vielen Kommunen erstmals auf sichere Füße zu stellen.
Die Kommunen berechnen erst jetzt, was ein Kita-Platz kostet?
Naumann: Es gibt Orte im Land, die haben zum letzten Mal vor 15 Jahren ihre Gebühren angepasst. Das heißt, sämtliche Tarifsteigerungen sind nicht berücksichtigt worden. Anderswo fließt der Hausmeister-Dienst, der bislang faktisch unentgeltlich vom Gemeindearbeiter erledigt wurde, jetzt erstmals mit in die Kalkulation ein.
Trifft das auch im Mansfelder Land zu, wo die Proteste besonders laut waren?
Naumann: Soweit wie wir festgestellt haben, gibt es auch im Mansfelder Land Schwierigkeiten, weil die Gebührenanpassungen längere Zeit zurückliegen. Das ist aber kein Einzelfall, ähnliches spielt sich auch im Salzland- und im Burgenlandkreis ab.
Aber mit der Einführung des Ganztagsanspruchs steigen auch die Kosten für mehr Personal.
Naumann: Die zusätzlichen Kosten für die Ganztagsbetreuung und aus der Personalschlüsselverbesserung trägt das Land.
Wie lief es denn vor der Gesetzesnovellierung?
Naumann: Wir konnten bislang nicht sagen, was ein Kitaplatz kostet. Das Geld aus dem Land floss in die immer wieder kritisierte Black Box eines kommunalen Haushalts. Mit dem neuen Kinderförderungsgesetz hat sich das geändert, die Sache wurde transparent Die Gemeinden müssen erstmals den Landkreisen genau ihre Personal- und Sachkosten darlegen.
Nur haben davon die Eltern nichts, wenn die Gebühren wie in Benndorf von 195 auf 280 Euro steigen.
Naumann: Das stimmt, und das ist auch eine Hausnummer. Insofern verstehe ich auch den Unmut der Eltern. Eine solche Gebührensteigerung ist ein Schlag ins Kontor. Nur die Ursache beim Kinderförderungsgesetz zu suchen, ist falsch. Wenn es so wäre, müsste es überall zu einer Kostenexplosion kommen. Das ist aber nicht so. Man muss aber auch schauen, auf welcher Basis die Erhöhung erfolgt. Wer jahrelang zu niedrige Gebühren hatte, erreicht jetzt möglicherweise nur einen durchschnittlichen Wert.
Wo liegt denn der Durchschnitt in Sachsen-Anhalt?
Naumann: Das wissen wir noch nicht, die Verträge werden erst nach und nach zwischen Kommunen und Kreisen geschlossen. Wir kennen die Bandbreite daher noch nicht, das werden wir erst Ende 2016 wissen, wenn eine erste Evaluierung des Gesetzes erfolgt ist.
Die Eltern sollten eigentlich mit der Regelung, dass sie maximal 50 Prozent der Gesamtkosten für einen Platz zahlen, vor horrenden Steigerungen geschützt werden. Aber das funktioniert nicht, oder?
Naumann: Die Regelung sagt, dass die Gemeinden maximal 50 Prozent von den Eltern verlangen können. Sie müssen aber nicht. Es können auch 40 oder 30 Prozent sein.
Das erklären Sie mal einem Bürgermeister in der Konsolidierung.
Naumann: Die Gemeinden müssen ihre gesamte Kassenwirtschaft überprüfen und entscheiden, was ihnen wichtig ist - etwa niedrige Kitagebühren.
Die Kommunalaufsicht wird nicht mitspielen, sie fordert bei verschuldeten Gemeinden regelmäßig, alle Einnahmequellen auszuschöpfen.
Naumann: Das ist ein Thema für das Innenministerium, dies ist für die Kommunalaufsicht zuständig. Es gab die Vorstellung, die Kommunalaufsicht entsprechend anzuweisen, auch bisher praktizierte niedrige Kostenbeteiligungen der Eltern zu akzeptieren. Das ist meines Wissens aber nie umgesetzt worden.
(mz)