Interview Interview: «Die NPD hat kein Thema»
Halle (Saale)/MZ. - Der hallesche Politikwissenschaftler Everhard Holtmann (Foto) beobachtet den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt. Unser Redakteur Alexander Schierholz sprach mit ihm über die NPD.
Herr Holtmann, die NPD liegt bei vier Prozent, vor vier Wochen war es noch ein Prozent weniger. Wie wahrscheinlich ist es, dass sie demnächst im Landtag sitzen wird?
Holtmann: Der Wahlkampf ist noch nicht gelaufen. Man kann nichts ausschließen, aber zurzeit schätze ich die Chance eines Einzugs ins Parlament gering ein.
Aber die Partei zielt auf Nichtwähler ab und auf Jungwähler. Und bei letzteren kann sich jeder Dritte vorstellen, NPD zu wählen. Ist das nicht alarmierend?
Holtmann: Ich warne vor Alarmismus. Erfahrungsgemäß ist die Präferenz für rechtsextreme Parteien bei Jungwählern immer höher als in anderen Altersgruppen. Ob die dann tatsächlich zur Wahl gehen, ist eine andere Frage.
Woher nehmen Sie Ihre Zuversicht, dass die NPD es nicht schafft?
Holtmann: Sie hat bisher kein zugkräftiges Thema, mit dem sie weite Teile der Nichtwähler für sich gewinnen könnte. Und ich sehe keine Denkzettel-Stimmung im Land. Die Zahl derjenigen, die mit der Regierung in hohem Maße unzufrieden sind und ihr quasi eins auswischen wollen, ist vergleichsweise gering.
Und wenn die NPD doch noch ein Thema aus dem Hut zaubert...
Holtmann: Ich wüsste nicht, wo sie das hernehmen sollte. Das müsste ein Thema sein, mit dem sich die Leute emotional packen lassen. Die Gebietsreform als Protestthema ist verraucht.
Die NPD schürt Ressentiments, indem sie auf Plakaten fordert: "Kriminelle Ausländer raus!", wobei "kriminell" deutlich kleiner geschrieben ist als der Rest. Fällt der Wähler auf so etwas herein?
Holtmann: Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Die Zahl der Bürger mit ausländerfeindlichen Einstellungen ist seit 2007 jedenfalls gesunken, das zeigt der Sachsen-Anhalt-Monitor deutlich.
Die internen Mails lassen tief in die NPD und ihre Ideologie blicken. Wird das Wähler abschrecken?
Holtmann: Was man da zu lesen bekommt, ist eine Kostprobe auf Menschenverachtung und Rassismus. Zumindest wer erwogen hat, aus schierem Protest NPD zu wählen, dürfte davon eher abgestoßen als angezogen werden.
Viele meinen, die Wahl sei gelaufen, es werde ohnehin bei einer großen Koalition bleiben. Könnte das den Rechtsextremisten nützen?
Holtmann: Das sehe ich nicht, eben weil es keine Denkzettel-Stimmung gibt. Selbst wer meint, alles sei gelaufen, hat immer noch die Wahl zwischen den unterschiedlichen Sachprogrammen der demokratischen Parteien.
Wie sollten die die NPD behandeln?
Holtmann: Sie dürfen sich nicht zurücklehnen. Sie müssen immer wieder deutlich machen, was hinter der NPD steckt: Sie hat keine landespolitischen Angebote, sie ist darauf aus, Ressentiments zu schüren und Stimmung gegen das Establishment zu machen.