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Initiative Initiative: Ein Dorf will aufblühen

Von CAROLINE BERTHOT 05.10.2008, 17:09

ZUCHAU/MZ. - In der Erinnerung der 61-Jährigen taucht ein Zuchau mit einem regen Gemeindeleben, mit Festen und Vereinen auf - ein Zuchau, wie es heute so nicht mehr existiert. Dass ihr Geburtsort im Lauf der Jahre immer mehr Einwohner und damit ein Stück seiner Identität verloren hat, betrübt Gerda Graviat. Es bestärkt sie aber gleichzeitig, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen.

Sie möchte, dass sich kommende Generationen in Zuchau wohl fühlen und die Bewohner möglichst hier bleiben. "Es ist wichtig, Altes und Traditionen zu bewahren, auch für unsere Enkel", meint sie. Für Gerda Graviat gehört da vor allem die Kirche dazu, in der sie sich seit Jahren engagiert. Sie verwaltet die Schlüssel zum Gotteshaus, schmückt den Altar, hilft beim Organisieren von Veranstaltungen wie dem Krippenspiel und sie läutet die Kirchenglocken. Um diesen Beitrag für das Gemeindeleben macht sie nicht viel Aufhebens. "Mal den Besen in die Hand zu nehmen und um die Kirche zu fegen, ist doch ganz selbstverständlich."

Dass das nicht überall so ist, weiß Jörn Weinert. Er ist Initiator und Sprecher einer Arbeitsgemeinschaft, die sich viel vorgenommen hat: Landesweit sollen Menschen unterstützt und gewürdigt werden, die Natur- und Kulturlandschaften pflegen, Denkmale erhalten und das soziale Miteinander fördern. Menschen also, die das Leben auf dem Land noch lebenswerter machen und so einen kleinen Beitrag gegen die Abwanderung leisten.

Es sind oft eher unspektakuläre Dinge, die das Dorfleben reizvoll machen können. Ein Dorfteich, Glockengeläut, ein Vereinsfest - Dinge, die im Alltag meist wenig Beachtung finden und doch vermisst werden, wenn es sie nicht mehr gibt. "Engagierte Bewohner tragen durch ihren Einsatz zur Bereicherung des Dorflebens bei, ihre Leistung verdient eine Würdigung", sagt Weinert. Daher wurden in einem vom Kultusministerium unterstützten Pilotprojekt in Zuchau die ersten Dorfpaten des Landes ausgezeichnet - Gerda Graviat ist eine von ihnen.

Mit dem Titel Dorfpate darf sich auch Willi Wirth schmücken - der Musik wegen. Wann immer in Zuchau ein Fest stattfindet und die musikalische Unterhaltung fehlt, ist der 71-Jährige mit seinem Akkordeon einsatzbereit. "Es macht mir einfach Freude, für andere zu spielen", sagt der Rentner. Und irgendwie will Wirth dem Dorf auch etwas zurückgeben. Am Ende des Zweiten Weltkriegs musste er aus Schlesien fliehen. Es hat ihn nach Zuchau verschlagen, das für ihn zur zweiten Heimat wurde.

Wie die Zukunft dieser Heimat aussehen könnte, beunruhigt Wirth. Dabei steht Zuchau für viele andere Dörfer mit ähnlichen Problemen. Die nächsten größeren Städte liegen 15 Kilometer (Calbe) und 30 Kilometer (Dessau)

entfernt. Ende vergangenen Jahres zählte Zuchau noch 328 Einwohner. Seit der Wende hat der Ort rund ein Viertel der Bevölkerung verloren, soziale Bindungen wurden schwächer und die einzige Gaststätte musste schließen. "Wir bemühen uns um jeden, der sich einbringen will. Da zählt jede Nase," weiß Willi Wirth.

Zu den treibenden Kräften gehört auch Martin Giesecke. Seit 1994 lenkt er als ehrenamtlicher Bürgermeister die Geschicke des Dorfes. Er weis also, wie mühsam es ist, Zuchau attraktiv zu halten. In seiner Freizeit packt der Biologielehrer auch selbst mit an. Er will einen Bauerngarten anlegen. Auf dem Gelände einer ehemaligen Schrebergartenanlage soll so ein Ort der Ruhe geschaffen werden. Eine Streuobstwiese und ein zentrales Rondell sind schon fertig, Größeres soll folgen. "Mein Traum ist ein Irrgarten", so der 52-Jährige.

Dass man allein mit Bürger-Engagement und der Aktion Dorfpate die Probleme des ländlichen Raums nicht lösen kann, ist den Beteiligten bewusst. Doch viele kleine Initiativen könnten durchaus etwas bewirken. "Eine funktionierende Gemeinschaft mit einem regen kulturellen Leben", so Weinert, "wird zum weichen Standortfaktor." Die ersten Dorfpaten gerade in Zuchau zu küren, war kein Zufall. Es ist Weinerts Heimatort: "Ich dachte, wenn es hier klappt, dann klappt es anderswo auch."