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Industrie Industrie: Der Leuchtturm wackelt

Von Steffen Höhne 19.03.2012, 19:53

Halle (Saale)/Thalheim/MZ. - In einem Hinterhof im Berliner Stadtteil Kreuzberg hat alles angefangen: Ende der 70er Jahre bastelte der spätere Q-Cells-Gründer Reiner Lemoine mit Freunden an Solarlösungen. Die Ingenieure waren von der Idee begeistert, Strom aus Sonne zu gewinnen. Wuseltronik (Wind- und Sonnenelektronik) hieß ihr Ingenieurkollektiv. Daraus ging das Berliner Solar-Unternehmen Solon hervor - ein Pionier. Die Entwicklung stockte allerdings, weil Solon zuverlässige Solarzellen fehlten.

Q-Cells war 2008 Weltmarktführer

Der im Dezember 2006 verstorbene Reiner Lemoine gründete daher 1999 Q-Cells in Thalheim - heute ein Ortsteil von Bitterfeld-Wolfen. Ziel war es, Hochleistungssolarzellen zu fertigen. Im Frühjahr 2001 wurden mit 19 Mitarbeitern die ersten Solarzellen produziert. Der Erfolg war überwältigend. Angeschoben von der Solarförderung, explodierten die Umsätze regelrecht, 2005 ging das Unternehmen an die Börse. Q-Cells verdoppelte in dieser Zeit fast jährlich die Produktion - 2008 war Q-Cells der größte Solarzellen-Hersteller der Welt.

Q-Cells ist der Kern des Solar Valley, in dem heute mehrere Solarfirmen über 3 000 Mitarbeiter beschäftigen. Solar Valley gilt damit als einer der größten Solarstandorte Europas - doch der Leuchtturm wackelt.

Der rasante Ausbau kostete hunderte Millionen Euro. Q-Cells gründete zahlreiche Tochterfirmen, um neue Technologien voranzubringen. Geld haben diese Unternehmen allerdings nicht verdient. Kritiker sagen: Der Konzern habe sich verzettelt. Mit der Wirtschaftskrise 2009 und einem Markteinbruch rutschte Q-Cells in die roten Zahlen und trennte sich von vielen Beteiligungen: Dazu zählten die heutige Sovello, Sontor und Calyxo. In Malaysia wurde eine neue Fabrik hochgezogen, in Thalheim mussten 2009 bereits 500 Mitarbeiter gehen. Die Einschnitte zeigten zunächst Wirkung. Doch 2011 setzte sich die Talfahrt beschleunigt fort. Asiatische Konkurrenten produzieren billiger. Die Preise für Module brachen wegen Überkapazitäten im Markt um 50 Prozent ein. Konzernchef Nedim Cen kündigte zuletzt an, die defizitäre Tochter Solibro verkaufen zu wollen. Mit neuen Solarzellen, die einen höheren Wirkungsgrad besitzen, will man der Konkurrenz Paroli bieten.

Keine Gewerbesteuer

Auch die anderen Anbieter stehen unter Druck: Der Solarmodul-Hersteller Sovello gehört dem Finanzinvestor Ventizz. Die Firma investiert derzeit 35 Millionen Euro in Technik, um im Preiskampf mit chinesischen Unternehmen zu bestehen. Gewinne schreibt Sovello bisher nicht. Bei Calyxo ist der ehemalige Q-Cells-Forschungsvorstand Florian Holzapfel am Ruder. Das Unternehmen fertigt Solarmodule aus Cadmium-Tellurid. Durch eine kostengünstige Produktion will sich die Firma behaupten.

Sontor gehört zur Wilms-Gruppe aus Menden (Nordrhein-Westfalen). Der Dünnschichtmodul-Hersteller hat wegen der schwierigen Marktlage die Zahl der Beschäftigten von 70 auf 30 reduziert.

Neben den Herstellern gibt es auch umliegende Zulieferer. Guardian liefert Glas als Träger für Solarmodule. Das Unternehmen PV Crystalox im Chemiepark stellt Silizium her, dem Grundstoff für Solarzellen. Die Krise wirkt sich auch auf sie negativ aus.

Geld hat in den vergangenen Jahren kaum eine Solarfirma verdient. Bitterfeld-Wolfen erhielt zuletzt 2008 Gewerbesteuer aus der Branche - damals waren es 16 Millionen. Es wird befürchtet, dass es einzelnen Firmen wie dem Pionier Solon ergeht - dieser meldete im Dezember 2011 Insolvenz an.