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Im Winterquartier Im Winterquartier: Familienunternehmen Zirkus Probst

Von Dörthe Hein 26.02.2013, 10:37
Dompteur Rüdiger Probst vom Zirkus Probst
Dompteur Rüdiger Probst vom Zirkus Probst DPA Lizenz

Staßfurt/dpa - Von Zirkusglamour ist nicht viel zu sehen. Die Tiere stehen im Stall, die Wohnwagen sind noch nicht bezogen. Knallbunt gekleidet und mit glitzerndem Haarreif ist die 31 Jahre alte Artistin Jessika Probst der Farbklecks an diesem tristen Wintertag in Staßfurt. Dort bereitet sich der Zirkus in seinem Winterquartier auf die neue Saison vor. Am 1. März geht die Tournee in Leipzig los mit 70 Wagen und ebenso vielen Mitarbeitern - im großen Zelt tritt dieses Jahr auch wieder eine kubanische Artistentruppe auf.

Das Familienunternehmen nennt sich bewusst nicht Familienzirkus, weil es sich abgrenzen will von den geschätzt 300 kleinen Zirkus-Unternehmen mit oft bemitleidenswerten Tieren und wenig anspruchsvollen Darbietungen. Probst zählt sich zu den fünf größten Reisezirkussen Deutschlands, an deren Spitze unangefochten Zirkus Krone steht. Gemessen sei das an Größe, Programm und Zuschauerzahlen, sagt Zirkussprecher Patrick Adolph. Letztere behält er allerdings für sich.

„Ich bin irgendwie aus der Art geschlagen.“

In der Probst-Familie macht jeder mit. Wer nicht auftritt, übernimmt Aufgaben in Büro oder im Management. Jessika, die als einzige Artistin ist, meint: „Ich bin irgendwie aus der Art geschlagen.“ Ihre Mutter Mercedes Probst machte sich schon zu DDR-Zeiten einen Namen mit ihren Pferdedressuren, deren Bruder Rüdiger Probst führt bis heute Sibirische Tiger in die Manege. Weil in der Familie großer Wert auf die Ausbildung gelegt wird - jeder hat eine abgeschlossene Berufsausbildung neben dem, was er im Zirkus gelernt hat - ging Jessika nach Berlin an die Staatliche Artistenschule. Seit 1999 ist sie staatlich geprüfte Artistin mit erweitertem Realschulabschluss. Die Mutter von zwei Kindern hat sich auf Akrobatik auf dem Seil spezialisiert und zeigt Kunststücke an Tüchern, die von der Decke herabhängen.

Zirkus sei ein knallhartes Geschäft, sagt Zirkussprecher Patrick Adolph. Wie in vielen anderen Branchen auch können die Preise nicht ständig erhöht werden, auf der anderen Seite aber steigen die Kosten, etwa für Strom und Heizung. Anfeindungen von Tierschützern und Auseinandersetzungen mit Behörden machen Raubtierdompteur Rüdiger Probst besonders zu schaffen. Bald wird er 53 Jahre alt und weiß nicht, wie lange er noch mit seinen neun Großkatzen in der Manege auftreten kann.

„Die Reflexe sind entscheidend, da bringt Ihnen die Erfahrung gar nichts“, sagt er. Einen Nachfolger für ihn gibt es nicht. Möglicherweise wird er schon in zwei Jahren ein großes Gehege für die Raubkatzen in Staßfurt bauen, in dem sie dann bleiben. Für den Zirkus fiele die Nummer mit den Tieren dann allerdings aus dem Programm - obwohl die Tiere über dem Schriftzug „Zirkus Probst“ quasi als Wappentier prangen.

„Die Schulter ist kaputt - ich muss mir was anderes überlegen.“

Jessika hat als Artistin ähnliche Probleme wie Hochleistungssportler: Schon mit 31 machen die Knochen nicht mehr alles mit. „Die Schulter ist kaputt - ich muss mir was anderes überlegen.“ Wie lange es noch geht, weiß sie nicht genau. Die Frage ist, ob sie auf Tierdressur umschwenkt oder ins Büro geht. Im Familienunternehmen haben alle zwei Funktionen - Jessika etwa erledigt auch den Einkauf für rund 40 Menschen im Zirkus.

Müssen Kinder aus der Familie Probst automatisch auch in die Manege? „Man muss dafür geboren sein. Für Otto Normalverbraucher ist das nichts“, sagt Jessika, die mit einem Rumänen verheiratet ist. Ihr zweijähriger Sohn etwa wolle schon heute auf einem großen Pferd reiten. Jessika selbst hatte früher ihre ersten Auftritte als Kind mit Ziegen, Affen oder Ponys. Wenn es nach der Oma gegangen wäre, hätte ihre siebenjährige Tochter in der kommenden Saison mit Ponys auftreten sollen. Jessika lehnte das jedoch ab: „Die schulischen Leistungen gehen erstmal vor. Höchstens in den Ferien.“

Dompteurin Alexandra Probst vom Zirkus Probst
Dompteurin Alexandra Probst vom Zirkus Probst
DPA Lizenz