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Hochwasser in Sachsen Hochwasser in Sachsen: Nach Bad Schandau geht es nur mit Passierschein

08.06.2013, 19:37
Die durch das Hochwasser der Elbe überflutete Stadt Wehlen (Sachsen).
Die durch das Hochwasser der Elbe überflutete Stadt Wehlen (Sachsen). dpa Lizenz

Bad Schandau/Wehlen/dpa - Wann wird die Regelmäßigkeit zur Normalität? In Bad Schandau und anderen Orten des Oberen Elbtals stehen die Bürger am Wochenende in den Gassen und wirken ratlos. Nach der Flut ist hier inzwischen vor der Flut. In den vergangenen elf Jahren ist das beschauliche Städtchen unweit der deutsch-tschechischen Grenze bereits zum vierten Male von einem Hochwasser heimgesucht worden. Die Jahrgänge 2002 und 2013 werden als Jahrhunderthochwasser in die Geschichte eingehen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ein Jahrhundert so schnell vergeht und nur elf Jahre dauert“, sagt Andreas Eggert. Der parteilose Bürgermeister von Bad Schandau residiert notgedrungen drei Kilometer vom eigentlichen Rathaus entfernt hoch oben in Altendorf. Der eigentliche Amtssitz steht seit Tagen unter Wasser.
Der Bürgermeister wirkt erschöpft und zieht eine erste Bilanz. Die häufigste Frage lautet, ob nun alles besser gelang als bei der Flut 2002. Davor hatte die Elbe nur im Jahr 1846 eine derartige Kraft entwickelt. Eggert lobt Rettungskräfte und Bürger: „Alle haben besonnen und ruhig gehandelt.“

Mangelhafte Kommunikationsmöglichkeiten

Von Routine will das Stadtoberhaupt nicht reden. An Naturkatastrophen werde man sich wohl nie gewöhnen können. „Wir wussten, was auf uns zukommt“, sagt Eggert. Deshalb hätten die Leute Keller und Erdgeschosse ausgeräumt. Anders als 2002 werde sich der Sperrmüll diesmal in Grenzen halten.
Nur ein Problem spricht der Bürgermeister schon vor Ablaufen der Wassermassen an. Die Kommunikationsfähigkeit habe sich erneut als mangelhaft erwiesen. Als das Telefon-Festnetz in den Fluten versank, war Eggert nur noch in einem instabilen Handynetz erreichbar und auch die Internet-Leitung im Krisenstab war viel zu langsam.
Die „Flut in Zahlen“ kommt in Bad Schandau nicht ganz an die Ereignisse von 2002 heran. Damals erreichte die Elbe eine Höhe von 12,04 Meter. Diesmal lag die Prognose bei 11,40 Meter - am Ende blieb das Wasser bei 10,67 Meter stehen. Für die Ladeninhaber am Markt ist das kein Trost. Nicht nur die Kirche war drei Meter Land unter.
Auch das Hotel Elbresidenz, in dem bei den Dreharbeiten zu Quentin Tarantinos „Inglourious Bastards“ Hollywood-Prominenz wohnte, bekam mehr als nasse Füße. Nach Angaben der Einsatzleitung wurden in den Ortschaften zwischen Schmilka und Rathen 1601 Menschen vor den Fluten in Sicherheit gebracht. Die meisten machten das in Eigenregie - kamen bei Freunden oder Verwandten unter.

Keine Chance für Hochwassertouristen

Eggert sieht das Obere Elbtal nun in der dritten Phase des Hochwassers angelangt. Nach dem Warten auf die Flut und dem Abwarten, bis das Wasser wieder ablaufe, beginne nun die Zeit der „Nachsorge und Schadensbeseitigung“. Damit der Verkehr wieder rollen und Einsatzkräfte unbehindert agieren können, ist das Flutgebiet in den kommenden Tagen nur mit einem Passierschein zu betreten. Polizei kontrolliert an den Ausfallstraßen die Papiere. Hochwasser-Touristen haben keine Chance.
Wie hoch die Schäden in Bad Schandau und anderswo sind, vermag derzeit noch keiner zu sagen. Am Samstag versuchen die ersten Anwohner, sich in Watthosen ihren Häusern zu nähern, um ihre Schäden zu beurteilen. Die Verwaltung warnt Bewohner davor, bis in die engen Gassen auf den Markt vorzudringen. Beim Rückzug in das Flussbett entstehen gefährliche Strömungen.
Kai Bigge von der Feuerwehr in Bad Schandau plagen kurzzeitig andere Sorgen: „Mittlerweile haben wir zu wenig Wasser, um vernünftig mit den Booten zu agieren.“ Bigge ist mit reichlich 70 Feuerwehrleuten im Dauereinsatz, um die nun beginnende Aufräumphase zu begleiten. Einige Einwohner denken schon an die Zeit nach Beseitigung der Schäden.
„Wir haben Angst, das viele weggehen“, sagt Gudrun Michael, die das Erdgeschoss ihres Hauses in Marktnähe an einen Optiker und einen Friseursalon vermietet hat. Finanziell seien viele vermutlich am Ende. „Da ist einfach die Kraft nicht mehr da, da gehen Existenzen kaputt“, sagt die Frau. Tatsächlich hatten schon 2006 nach der ersten Wiederkehr der Flut, rund 100 Bürger von Bad Schandau die Stadt verlassen.
Weiter unten im Elbtal gibt sich Geschäftsmann Tino Zieger eher trotzig. An ein Aufgeben denkt der Inhaber zweier Radgeschäfte in Pirna nicht - auch wenn es ihn doppelt erwischt hat. Nicht nur die Läden sind betroffen, auch die Wohnung in Wehlen konnte er tagelang nicht betreten. „Wegrennen nutzt auch nichts“, sagt Zieger.