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Heraldik Heraldik: Symbole für die Zukunft

Von ANTONIE STÄDTER 18.01.2010, 18:44

MAGDEBURG/MZ. - Oder er wühlt in Archiven, trifft sich mit Bürgermeistern und tritt in Ratssitzungen auf. Manchmal hält er Vorträge über seinen seltenen Beruf. Jörg Mantzsch ist Heraldiker, entwickelt Wappen für Kommunen. Für Privatpersonen indes würde er nie arbeiten. Die wollten ein eigenes Familienwappen meist nur aus Eitelkeit. "Kinkerlitzchen" für Mantzsch. In Zeiten der Strukturreformen hat er mit den Kommunalwappen ohnehin genug zu tun.

Gerade ist es extrem, sagt er. Arbeitstage von 18 Stunden sind keine Seltenheit. In ihren konstituierenden Sitzungen wollen die neuen Einheits- und Verbandsgemeinden ihre Satzung beschließen - dazu gehören Siegel und Wappen. "Zur Zeit entwerfe ich sechs Wappen in zwei Wochen", so Mantzsch. Normal sei dafür sonst ein Vierteljahr. Und viele Orte besinnen sich wieder auf Traditionen, sagt er - "damit sie aus dem Topf der Einheitssuppe als kleine Erbsen herausschauen". Ein eigenes Wappen kann da nicht schaden. Zwar ist es als Hoheitszeichen nicht rechtsgültig, wenn der Ort seine Eigenständigkeit verliert. Es darf dann etwa nicht mehr für das Siegel verwendet werden. Doch auf den Uniformen von Feuerwehr oder Schützenverein und den Fahnen bei Dorffesten kann es weiter gezeigt werden.

Mehr als 500 Wappen hat Mantzsch geschaffen - darunter besonders viele in Sachsen-Anhalt, etwa für Dessau-Roßlau. Im Internet-Lexikon Wikipedia, wo er einen eigenen Eintrag besitzt, sind 365 davon zu sehen. "Bis auf Bremen und das Saarland habe ich für alle Bundesländer gearbeitet."

Wappen sind viel mehr als bunte Bildchen, betont der Kommunalheraldiker. "Sie haben mit ihrem Bezug zu Traditionen und zur Geschichte einen hohen gesellschaftlichen Wert." Und müssen vielen Regeln entsprechen. Das fängt bei den Farben an: Sechs Tinkturen dürfen verwendet werden. Neben Rot, Schwarz, Blau und Grün sind das die Metalle Gold und Silber, die als Gelb und Weiß dargestellt werden. Wappen müssen einen hohen Wiedererkennungswert haben, unverwechselbar und einmalig sein. Ob es ein bestimmtes Wappen bereits gibt, hat Jörg Mantzsch meist im Kopf. Denn: "Ich kenne tausende."

Sinnbildlich sollen die Wappen Besonderheiten ihrer Träger vermitteln. Heraldiker sind daher oft auch Historiker. So ist eine Lilie kein Indiz dafür, dass eine Gemeinde viele Blumenfreunde hat - sondern ein Symbol für Reinheit. Auch die Platzierung der Elemente ist wichtig: "Da kommt es mitunter auf Millimeter an", so der Wappenzeichner. Und die Proportionen müssen stimmen. Das Magdeburger Wappen etwa sei nur geduldet - genehmigt wurde es nicht. "Die Frau darauf ist viel zu zierlich, der Turm zu niedrig", urteilt Mantzsch, der in Magdeburg lebt. Er hat sich die Grundsätze der Heraldik selbst beigebracht. Seinem erlernten Beruf - er hat in Leipzig Journalistik studiert - geht er seit Jahren nur noch nebenbei nach. Gerade schreibt er an einem Buch über die Wappen der Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt.

Begutachtet werden die eingereichten Vorschläge vom Landeshauptarchiv in Magdeburg, das dazu bei den Genehmigungsbehörden eine Stellungnahme abgibt. Durchschnittlich werden laut Landeshauptarchiv 15 Wappenentwürfe pro Jahr bearbeitet. Eine Zahl, die im Umfeld kommunaler Gebietsreformen jedoch stark ansteigt. So wurden 1995 ganze 124 Wappen verliehen. 2008 waren immerhin 43 Stellungnahmen erforderlich. Für 2010 Jahr wird ebenfalls eine deutlich höhere Zahl als im Durchschnitt erwartet.

Wernigerode, erinnert sich Mantzsch, war eine harte Nuss. Mitte der 90er Jahre erklärte er den Einwohnern, warum in seinem Entwurf nicht eine Forelle auftaucht, sondern ein stilisierter Fisch - ohne Fettflosse. Unter den Wernigerödern sei gemunkelt worden, dass dieser Vorschlag nur von einem Ortsfremden stammen könne. Dabei ist Mantzsch in Raguhn (Anhalt-Bitterfeld) aufgewachsen. Den Fisch hatte er wegen seiner Bedeutung als christliches Symbol verwendet. Nach langem Hin und Her ließ er sich doch dazu bewegen, eine Forelle daraus zu machen. Weil es eine passende Begründung gibt: "Die Forelle ist ja der Leitfisch der Harzbäche." Er müsse oft auch "Zuchtmeister" sein, wenn bei der Suche nach dem Wappen politische Fehden ausgetragen werden, so der passionierte Kleingärtner. "Da haue ich auch mal auf den Tisch."

Seinen Job würde er dennoch nie tauschen wollen. Denn: "Wenn ein Architekt ein tolles Haus hinstellt, heißt das nicht, dass es in 100 Jahren noch steht. Und wenn ein großer Autor ein Buch verfasst, muss das in 30 Jahren keiner mehr kennen. Doch meine Wappen wird es in Jahrhunderten noch geben."