Hart im Austeilen aber schlecht im Einstecken

Was für eine Symbolik. Es war der Tag, an dem Deutschland den Atem anhielt und der Ministerpräsident ganz cool blieb. Genauer: Es war Dienstagabend, die Erwachsenen schauten auf den Fernseher und erhofften ein Ergebnis der Koalitionsverhandlungen in Berlin. Etwa doch ein Scheitern? Man wusste es nicht, das Land zitterte. Und Reiner Haseloff, Ministerpräsident und CDU-Unterhändler, schickte erst einmal ein paar Bilder der neuen SpaceX-Rakete „Falcon Heavy“ per Internet um die Welt. Für ahnungslose Weltraum-Fans: Es handelt sich um das private Raumfahrtprojekt des US-Multi-Milliardärs Elon Musk, der den Mars kolonisieren will und nun erstmals erfolgreich eine Schwerlastrakete testete. Etwas bescheidener - dennoch ambitioniert - fiel das Motto des neuen Koalitionsvertrags aus: Ein neuer Aufbruch für Europa.
Aus den nervenaufreibenden Koalitions-Verhandlungen in Berlin dringen indes immer mehr Details nach außen. Was vor allem am künftigen Bundes-Innenminister Horst Seehofer (CSU) liegt, mit dem Haseloff eine gute Zusammenarbeit pflegt. Seehofer beschrieb nun, dass in den entscheidenden Stunden Nervenkrieg zwischen Union und SPD herrschte - und Unterhändler der Parteien stundenlange Pausen erdulden mussten. Miteinander plaudern? Eher nicht, „weil keiner eine Lösung hat und weil man unterschiedlicher Meinung ist“, so Seehofer. Und legte offen: „Ich habe dann gerne eine Mandarine oder eine Orange geschält, weil das wenigstens eine Betätigung war.“ Ob auch Ostdeutsche Ministerpräsidenten zu dieser Zermürbungstaktik griffen, bleibt bis dato ungeklärt.
Auch Journalisten brauchen im Berufsalltag ein dickes Fell. Die meisten legen es sich zu, nur wenige sind Boxer mit Glaskinn: Hart im Austeilen, aber schlecht im Einstecken. Kritik an der Berichterstattung kommt von allen Seiten, nicht zuletzt in Form von Leserbriefen und Online-Kommentaren: mal konstruktiv, mal berechtigt, gelegentlich das Gegenteil. Und manchmal auch amüsant. So kolportierte ein erfahrener Kollege zuletzt, ihm sei folgende Kritik zuteil geworden: Er schreibe wie ein zwölfjähriges Mädchen mit einem Jahr Berufserfahrung. Das ist ebenso witzig wie fies. Wobei auf der Fiesheit-Skala natürlich noch Luft nach oben ist. Ein Jahr Erfahrung ist immerhin besser als nichts.