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Hans Modrow wird 80 Hans Modrow wird 80: In alter Treue zur Vergangenheit

Von Steffen Reichert 25.01.2008, 19:21

Berlin/MZ. - Der Weg ist einfach. Man muss den Pförtner vom Parteivorstand scharf links liegen lassen, dann gibt der Summer die knallrote Tür frei. Zwei Treppen hoch, vorbei an der "Strategischen Planung", und dann steht links an dem Türschild ganz schlicht: "Hans Modrow". Mehr nicht.

Dort sitzt er also - in einem schmucklosen Büro, ein paar Bücher im Regal, zwei Bilder an der Wand, vor sich einen Stapel Papier. Auf den Zetteln notiert Modrow Stichwörter. Zwei-, dreimal die Woche kommt der Berliner ins Karl-Liebknecht-Haus, der Zentrale der Linken, um seine Postberge abzuarbeiten.

Hohe Poststapel

In diesen Tagen ist der Stapel wieder einmal höher. Nicht nur sein neues und kontrovers diskutiertes Buch "In historischer Mission" (siehe auch "Umstrittene Äußerungen") ist dafür verantwortlich. Nein, auch sein 80. Geburtstag sorgt dafür, dass mehr Einladungen, Grüße und Anfragen als gewöhnlich kommen. Modrow ist gefragter Gesprächspartner, wenn es um die letzten fünf Jahrzehnte deutscher Geschichte geht. Dass er, der 16 Jahre lang 1. Sekretär der Dresdner SED-Bezirksleitung und danach kurzzeitig DDR-Ministerpräsident war, auch polarisiert - Modrow weiß das natürlich. "Ich denke, dass es wichtig ist, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen", sagt er dazu. Und so nutzt er die Zeit, um alles zu lesen, was Politiker aus aller Welt über Ost und West, den Kalten Krieg und den Weg zur deutschen Einheit geschrieben haben. Reist quer durch die Welt, nach Kuba und Japan, um Vorträge zu halten und das Gespräch zu suchen.

Dass Modrow Politik von der Pike auf gemacht und den SED-Apparat auf allen Ebenen durchlaufen hat, ist kein Zufall. In sowjetischer Kriegsgefangenschaft wird der Vorpommer auf der Antifa-Schule schnell vom Kursanten zum Assistenten, und als er nach Deutschland zurückkehrt, hat er den Spitznamen weg: Er ist "der Russe". Er wechselt nach einem halben Jahr als Schlosser erst in den FDJ- und schließlich in den SED-Apparat.

"Der Russe" spinnt auch später immer wieder seinen eigenen Draht zu den sowjetischen Machthabern: ob mit Botschafter Pjotr A. Abrassimow, ob mit Staatschef Michail Gorbatschow oder dessen außenpolitischem Berater Valentin Falin. "Dass ich dem Politbüro suspekt war, wusste ich", räumt Modrow ein.

Den DDR-Machthabern Erich Honecker und Erich Mielke galt Modrow als unsicherer Kantonist, der von der Machtzentrale Politbüro ferngehalten werden musste . So wird er 1973 im sächsischen Dresden zum SED-Bezirkschef gemacht - jenem Bezirk tief in der Provinz, in dem sich die allgemeinen Probleme und die Unzufriedenheit besonders bündeln. Nicht ohne Grund hat der DDR-Volksmund für das Westfernsehen ARD eine eigene Begrifflichkeit gefunden: "Außer Raum Dresden".

Modrow, in den achtziger Jahren im Westen zunehmend zum Hoffnungsträger hochstilisiert, pflegt einen anderen Stil als die üblichen Funktionäre. Er wohnt mit Frau und beiden Töchtern in einer Drei-Raum-Wohnung. Er gibt während des Urlaubs den Schlüssel bei den Nachbarn ab. Er spricht in den Monatsberichten an SED-Chef Honecker viele der Probleme an, von denen der garantiert nichts hören will. Sein Motto: "Lebe so, dass du keine Furcht haben musst, eines Tages ein Verlorener zu sein."

Gegen schnelle Einheit

Das ist auch der Grund, dass er als einer der wenigen DDR-Spitzenpolitiker 1990 nicht aus der SED-PDS ausgeschlossen wird. Im Gegenteil: Modrow wird für die Monate bis zur ersten freien Volkskammerwahl im März 1990 Ministerpräsident - eine Zeit, die für ihn "die spannendste in meinem Leben" gewesen sei. Dass er die schnelle deutsche Einheit so nicht wollte: Modrow steht dazu und spart nicht mit Kritik an seinen politischen Gegnern. "Ich habe eine Regierung des Übergangs, de Maizière - der letzte Ministerpräsident der DDR - eine der Übergabe geleitet." Modrow wechselt 1990 in den Bundestag, später ins Europaparlament und wird wegen Anstiftung zur Fälschung der Kommunalwahlergebnisse in Dresden 1989 verurteilt - ein Urteil, das er für politisch motiviert hält.

Auch deshalb will er sich als Vorsitzender des Ältestenrates der Linkspartei weiter zu Wort melden, sieht er doch seine Partei als Interessenvertreter des Ostens. Sein Ziel bleibt die Einführung des Sozialismus, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen.

Heute wohnt er in Berlin. Vor fünf Jahren Witwer geworden, hat er noch einmal eine neue Lebensgefährtin gefunden. Mit ihr und den Kindern will er am morgigen Sonntag ganz privat in einem Berliner Café seinen 80. Geburtstag feiern. Er wäre nicht Modrow, wenn er dazu nicht auch eine DDR-Geschichte erzählen könnte. "Das war die erste Milcheisbar in der Stadt, in der ich verkehrte."