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Handel mit Ostprodukten Handel mit Ostprodukten: Aus der Garagen-Idee wurde ein gutes Geschäft

Von Hans-Jürgen Greye 23.03.2003, 19:46

Halle/MZ. - In Sachsen-Anhalt hätte es Alexander leichter gehabt. Theoretisch. Die Suche des jugendlichen Filmhelden nach Gewürzgurken aus dem Spreewald wäre in Landsberg mit Sicherheit von Erfolg gekrönt gewesen. Theoretisch. Praktisch freilich passt das alles nicht ganz zusammen: Alex' Ostprodukten-Jagd ist filmische Fiktion im Berlin des Jahres 1990. Der Handel mit Waren aber, die einst unter "made in GDR" vielen DDR-Menschen vertraute Alltagsbegleiter waren, ist in der Saalkreis-Stadt Gegenwart.

Im Landsberger Gewerbegebiet hat der "OssiVersand.de" seinen Sitz. Und anno 2003 mehr Arbeit als je zuvor. Dank "Good bye Lenin". "Die Ostalgiewelle rollt, der Film hat uns noch einmal einen richtigen Schub gebracht", sagt Unternehmensvorstand Gerhard Franz. Der Beleg: Allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres legte der Versandhandel beim Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum das Doppelte zu.

Der Münchener Franz hatte offenbar den richtigen Riecher für den Osten. Oder zumindest die entsprechenden Möglichkeiten. Denn die Idee, "abgewickelte" Ostprodukte aufzupolieren, hatten in Nachwendetagen zwei hallesche Hausfrauen. Die waren in den Westen gezogen, hatten dort aber vergeblich nach Mocca-Fix, Fit oder Filinchen Ausschau gehalten. Von einer Garage in Halle aus, versuchten sie das Ost-West-Geschäft in Gang zu bringen. Nicht alle Garagenträume reifen. Franz, in Landsberg mit einer Fensterbau-Firma präsent, übernahm 2000 das Zepter.

"Ostprodukte sind viel besser als ihr Ruf. Ich zum Beispiel esse die deftige Wurst von hier viel lieber, als die aus dem Westen", sagt der in Lützen bei Weißenfels wohnende Bayer. Und schickt gemeinsam mit seinen 15 Mitarbeitern Tag für Tag durchschnittlich 200 Ostpakete gen Westen auf die Reise.

Mit allem, was Geschmacks- und Erinnerungsvermögen der abgewanderten Ossis auf Touren bringt: Schlager-Süßtafel, Zetti-Knusperflocken, Carnito-Nudelsoßen. "Kinderspielzeug, Dederon-Einkaufsbeutel und Eierbecher in Huhnform von Sonja-Plastik sind derzeit der große Renner", sagt Anja Brinkmann, die Leiterin des Versandes. 1000 Produkte umfasse die Angebotspalette. Zur Zeit kauften etwa 30000 Kunden in Landberg ein, ein Teil seien Stammkunden. "Wie jener ältere Herr aus dem tiefen Westen, der gleich für die ganze Feuerwehr-Kameradschaft im Ort bestellt und im Tausch holländischen Käse schickt", erzählt Brinkmann. 80 Prozent der Bestellungen käme übrigens per Internet.

Der eher schmucklose Industrie-Flachbau im Landsberger Gewerbegebiet beherbergt neben Büros und Lager auch einen kleinen Laden für den Sofortverkauf. Eine Art Zugabe zum Versandhandel, wenig bekannt und von der Firma auch nur als Farbtupfer gedacht. Ein interessanter allemal: Da liegt es - das Mosaik, da hängen sie - die Kittelschürzen, da steht er - der Campingflötenkessel. Die Vergangenheit lässt grüßen.

Und die Zukunft? Irgendwann hat schließlich jeder "Good bye Lenin" gesehen. Gerhard Franz lehnt sich entspannt zurück: "Wir haben noch einiges vor." Eine Professorin von der Uni Freiburg, Spezialistin für das Konsumverhalten Ost-West, habe es ihm geflüstert: "Keine Bange, die Ostalgie-Welle rollt gerade erst an." Offenbar gute Zeiten für Händler und Filmemacher.