Gewalt gegen Polizei Gewalt gegen Polizei: «Respekt ist auf Null gesunken»
HALLE/MZ. - Wo Chaoten zunehmend nur einen Gegner sehen: Polizei. "Gewalt gegen Polizisten gibt es schon länger. Aber jetzt hat sie eine neue Qualität", sagt der 35-Jährige. Vor allem beim Fußball. "Bei der Klientel, mit der wir es zu tun haben, ist Respekt gegenüber der Polizei auf Null gesunken."
Gezielte Attacken in Halle
Steinert war dabei, als Beamte am Samstag nach dem Fußballderby des Halleschen FC gegen Magdeburg offensichtlich gezielt in den Hinterhalt gelockt wurden. Seine Einheit sei von rund 50 Chaoten massiv angegriffen worden. Steine flogen und Flaschen, Gas wurde eingesetzt. Polizisten seien durch Nebeltöpfe eingenebelt, aus dem Dunst heraus attackiert worden - von Vermummten, die sich teilweise mit Atemmasken schützten, so Steinert. "Raketen wurden auf Körperhöhe auf uns abgeschossen." 16 Beamte wurden verletzt. Nur dank der sehr guten Ausbildung der Bereitschaftspolizisten habe die Situation am Ende gemeistert werden können, sagt Steinert. Zwei Tage pro Woche ist seine Einheit mit Fortbildung beschäftigt - Sport, Zweikampftraining, taktische Vorbereitung. "Nicht auszudenken, wenn es in Halle eine normale Polizeieinheit getroffen hätte."
Doch auch Streifenpolizisten wie Michael Kreuter sehen sich immer häufiger mit Gewalt konfrontiert. Der Beamte aus Magdeburg war mehrere Monate dienstunfähig, weil ihn im Mai 2008 ein 20-Jähriger brutal attackiert hatte. "Der Mann hatte mich beleidigt, daher führte ich ihn mit einer Kollegin zur Feststellung der Personalien zum Streifenwagen, als er sich urplötzlich lossriss und wild auf mich einschlug", erzählt Kreuter. Zwar konnte er den Mann überwältigen, dabei erlitt er aber einen Riss des Kreuzbandes. Darüber hinaus wurde er schwer im Gesicht verletzt.
"Unser Problem ist, dass auch scheinbar normale Einsätze nicht mehr beherrschbar sind", erklärt Kreuter. So werde die Polizei oft zu Streitereien bei Familienfeiern gerufen. "Dort erleben wir Aggressivität, die für uns nicht mehr kontrollierbar ist", sagt er. "Wir können nicht mehr so agieren, wie wir es eigentlich müssten." Schlimm sei, dass dieser Eindruck auch bei den Tätern hängen bleibe.
Eine Zunahme der Gewalt gegen Polizisten beobachtet der Kriminologe Christian Pfeiffer seit längerem. Das von ihm geleitete Forschungsinstitut in Hannover bereitet derzeit eine Studie vor, an der sich 14 Bundesländer sowie die Bundespolizei beteiligen. Es gebe Hinweise, dass die Fälle zunehmen - zunächst alltägliche Einsatzsituationen, die in "Gewaltorgien ausarten". Wenn etwa bei einer Festnahme den Beamten plötzlich 50 aufgebrachte Menschen gegenüberstehen, die mit Blumentöpfen werfen. Oder Linksautonome in Hamburg Stolperfallen vorbereiten.
Häufig seien es, so Pfeiffer, vor allem junge Männer, die gemeinsam gegen den Staat antreten. Es handele sich zwar noch um ein Randphänomen. Allerdings eines, das offenbar wachse. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hatte zuletzt von einer alarmierenden Zunahme der Übergriffe auf Vollstreckungsbeamte gesprochen - in den vergangenen fünf Jahren von jährlich 20 000 auf 27 000.
Innenminister beraten
Die Innenministerkonferenz will sich im Dezember mit dem Thema beschäftigen. Dann solle auch die neue Studie eine Rolle spielen, so Sachsen-Anhalts Ministeriumssprecher Martin Krems. Auf ihrer Frühjahrstagung hatte die Konferenz beschlossen, präventive Empfehlungen zu erarbeiten und eine Strafverschärfung zu prüfen, wie sie von Gewerkschaften und auch manchem Politiker gefordert wird. "Strafverschärfung kann aber nicht Allheilmittel sein", so Krems.
Angemessene Sanktionen sind ein Wunsch von Guido Steinert. Strafen, die verhindern, dass er von Tätern beim nächsten Einsatz ausgelacht wird. Aber auch Vereine sieht er in der Pflicht: Deren Arbeit könne nicht am Stadiontor enden. Zudem, so der gewerkschaftlich engagierte Beamte, müsse über Personalstärken nachgedacht werden. Derzeit gebe es bei der Bereitschaftspolizei nur "das Mindestmaß, um Einsätze zu bewältigen".
Aufgeben aber ist für Steinert nicht drin. Sein Job sei Berufung. "Klar geht man nun mit einem mulmigen Gefühl in manchen Einsatz", sagt er. "Aber nichts ist schlimmer, als zu resignieren und dem Mob die Straße zu überlassen."