Gesundheitswesen Gesundheitswesen: Ärztin aus Aschersleben lehnte neue Patientin ab

Aschersleben/MZ. - Vieles stellt man sich einfacher vor, als es ist. Diese Erfahrung musste Kerstin Scharf aus Aschersleben machen.Da ihr langjähriger Hausarzt seine Praxis schließt, machte sie sich auf die Suche nacheinem neuen. Sie rief in der Praxis einerÄrztin im Raum Aschersleben an, von der sieviel Gutes gehört hatte.
Dort erfuhr sie schon am Telefon, dass sieals Versicherte bei einer Betriebskrankenkasse(BKK) nicht als Patientin aufgenommen werdenkönne. Die Kapazitäten seien erschöpft. Patientenvon AOK und BKK habe die Ärztin schon genug,hieß es an der Rezeption. "Ich war sprachlos",so Scharf, die sich als "Patientin dritterKlasse" fühle.
Viele niedergelassene Ärzte scheinen sichtatsächlich in einem Dilemma zu befinden.Die betreffende Hausärztin schildert es so:Für die gleichen Leistungen zahlten die Kassenunterschiedliche Pauschalen an die Niedergelassenen- die so genannten Primärkassen wie AOK, IKKoder Betriebskrankenkassen weniger, die Ersatzkassenmehr. Auf jeder Praxis laste der Deckel einesfestgezurrten Budgets. "Komme ich mit meinerLeistung über das Budget, dann bekomme ichnur noch ein Viertel vergütet. Und wenn ichdaran denke, dass ich als Arbeitgeberin aucheine Verpflichtung gegenüber meinem Personalhabe, dann macht mich das schon wütend," sodie Ärztin. Ob es einer Praxis gut oder schlechtgehe, liege deshalb auch daran, bei welchenKassen der Hauptanteil der Patienten versichertist.
Z-TITEL: "Ich war sprachlos."
Kerstin Scharf
Patientin
"Der Anteil meiner Patienten in Primärkassenist im Moment so hoch, dass mein Budget bereitsweit überschritten ist und ich wirklich keinePatienten dieser Kassen mehr zusätzlich nehmenkann, wenn ich noch einigermaßen wirtschaftlicharbeiten will", sagt die Ärztin. Und sie fügthinzu, dass Notfallpatienten in keinem Fallbetroffen seien. "Notfälle kommen immer dran."
Dr. Peter Böttcher, stellvertretender Sprecherder Kreisstelle Aschersleben der niedergelassenenÄrzte, kann das Verhalten seiner Kolleginzwar verstehen, verweist aber auf die Gesetze.Die Niedergelassenen seien Vertragsärzte füralle Kassen, auch wenn sie mit manchen schlechterfahren. "Es stimmt, dass die Primärkassenweniger an die Ärzte zahlen." Notwendige medizinischeLeistungen dürften deshalb aber keinem Patientenvorenthalten werden. "Wir Ärzte können Ungereimtheiten,die im System liegen, nicht auf dem Rückendes Patienten ausgleichen", meint er. DasProblem müssten die Kassenärztlichen Vereinigungenlösen. Aber deren Chefs seien zu sehr integriertin das System und daher nicht mehr aggressivgenug.