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Geschichte Geschichte: Seltener gotischer Flügelaltar aus Brüssel gerettet

Von Thomas Schöne 22.11.2005, 06:57
An einem 1480 in einer Brüsseler Werkstatt für die Staßfurter Stadtkirche St. Johannis geschaffenen Altar arbeitet die freiberufliche Restauratorin Gabriele Georgi in Halle (Saale). (Foto: dpa)
An einem 1480 in einer Brüsseler Werkstatt für die Staßfurter Stadtkirche St. Johannis geschaffenen Altar arbeitet die freiberufliche Restauratorin Gabriele Georgi in Halle (Saale). (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Halle/dpa. - «Die Bürger konnten sich den kostbaren Altarleisten, weil die Stadt im Mittelalter durch den Salzhandel reichwurde», sagte Restauratorin Gabriele Georgi. Doch durch Ruß, Staub,Umwelteinflüsse und Temperaturschwankungen der letzten hundert Jahrehatte das Kunstwerk deutlich gelitten.

Rund vier Monate und hunderte Arbeitsstunden hatte Georgigebraucht, um die Pracht des sakralen Kunstwerks zu restaurieren.«Die alten Meister arbeiteten mit viel Liebe zum Detail. DieGesichter haben Tränen in den Augen und den Berg der Kreuzigungzieren spezielle Pflanzen», sagte die Restauratorin. Mit einemspeziellen Fisch-Leim aus der Blase des Störs wurde die Oberflächedes Kunstwerk überzogen und so für Jahrzehnte konserviert.

Der Altar ist 4,80 Meter lang, zwei Meter hoch und zeigt diekomplette Leidensgeschichte von Christus. «Die realistischeBildersprache war sehr wichtig, denn damals konnten viele Menschenweder Lesen noch schreiben», sagte Georgi. Der Mittelteil des Altarsist ein Relief und fast alles, von den Gewändern der Figuren bis zumHintergrund ist mit Blattgold überzogen. «Gold hatte im Mittelaltereine starke religiöse Bedeutung. Außerdem zieht das Metall die Blickeder Menschen magisch an», sagte die Expertin.

Bereits 1688 kam der Altar aus der Stadtkirche in die Kapelle desHospitals. Das war ein glücklicher Zufall, denn die Stadtkirche wurde1948 bei einem Brand zerstört und existiert heute nicht mehr. DasHospital ist heute ein Altenheim in Trägerschaft der katholischenCaritas. «Zum Weihnachtsfest wird der Altar wieder in der Kapellestehen», freut sich Georgi.

Der Schatz hat auch im Ausland Aufmerksamkeit erregt. «EinigeAmerikaner haben uns für den Altar mehrere Millionen Dollar geboten,natürlich ist das Kunstwerk unverkäuflich», sagte das StaßfurterStadtratsmitglied Heinz Czerwienski.«In Sachsen-Anhalt existierennoch etwa 150 mittelalterliche Flügelaltäre», sagte der Leiter derRestaurierung Thomas Danzl. «Im Kernland der Reformation gab es nurin Einzelfällen Bilderstürmerei. Der Protestantismus war hier derBewahrer der Kunst.»