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Geschichte Geschichte: Ehemalige Spitzel stoppen Stasi-Schau

Von Erik Nebel und Jutta Schütz 20.03.2008, 10:41

Reichenbach/Berlin/dpa. - «IM Schubert» könnte fast 19 Jahre nachder Wende für einen Präzedenzfall sorgen. Der einstige InoffizielleMitarbeiter (IM) der DDR-Staatssicherheit hat eine kleine, vonSchülern und ihrem Religionslehrer erarbeitete Ausstellung im Rathausvon Reichenbach (Sachsen) über «Christliches Handeln in der DDR» perGerichtsentscheid zu Fall gebracht. Dass Ex-Stasi-Mitarbeiterzunehmend versuchten, die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit mitKlagen gegen Ausstellungen zu behindern, sei ein neues Phänomen, sagtdie Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler,der Deutschen Presse-Agentur. «Ich sehe das mit Sorge.»

Der einstige IM hatte beim Landgericht Zwickau eine einstweiligeVerfügung erwirkt, nach der sein Klarname in der Ausstellung nichtgenannt werden darf. Das Gericht hatte seinen Persönlichkeitsrechtenden Vorrang eingeräumt. Die Aufarbeitungsinitiative um den früherenDompfarrer Edmund Käbisch hat daraufhin die Ausstellung entnervtabgebaut. «Ohne die Namen zu nennen, macht die Aufarbeitung keinenSinn», sagt Käbisch. Doch er gibt sich nicht geschlagen und will nunWiderspruch beim Gericht einlegen.

«Nicht einmal zwei Jahrzehnte nach dem Ende des SED-Regimes wollendie Stasi-Zuträger eine Aufarbeitung ihrer Spitzeltätigkeitverhindern und ihre Kritiker mundtot machen», mahnt die Zwickauer CDUin ihrem Unterstützungsschreiben für die Initiative. DerSpendenaufruf ist überschrieben mit: «Die Stasi macht mobil - wehretden Anfängen». Mit den Geldern soll der weitere Rechtsstreitfinanziert werden.

Die Bundesbeauftragte Birthler beobachtet, dass sich dieAktivitäten früherer Stasi-Leute gerade gegen kleinere Vereinerichteten, die allein weder Kraft noch Mittel für lange Rechtsstreitehaben. Das seien «Einschüchterungsversuche» der Ex-Stasi-Leute.

In Sachsen hat vor allem die Dreistigkeit der Täter von einstEmpörung ausgelöst. Statt sich zu ihrer Schuld zu bekennen, stelltensie sich nun als Opfer dar, heißt es in Leserbriefen an Zeitungen.Der Leiter der Chemnitzer Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde,Martin Böttger, ist eher verblüfft: «Das habe ich noch nicht erlebt,dass ein IM, der seine Tätigkeit nicht bestreitet, einen Anspruch aufAnonymität durchsetzt.» Für die Aufarbeitung sei es wichtig, dass dieTäter beim Namen genannt werden.

Die Ausstellung sei seit 2005 an 13 Orten gezeigt worden, habeaber erst jetzt solche Brisanz bekommen, sagt Käbisch. Mit seinenSchülern habe er Stasi-Unterlagen beantragt und gewälzt, diskutiertund für die Reichenbacher Präsentation noch einen ausführlichen Teilzu «IM Schubert» beigefügt. Nach dessen Hinweisen seien in der DDRmehrere Menschen festgenommen worden, hatte Käbisch recherchiert.

Inzwischen hat der einstige Stasi-Mitarbeiter selbst Angst - vorRepressalien, wie sein Anwalt Thomas Höllrich sagt. «In Reichenbachherrscht Pogromstimmung», sagt Höllrich, der auch für die Partei DieLinke in Stadtrat und Kreistag sitzt. Ein Leserbriefschreiber empörtsich in der «Freien Presse»: «Das zeigt wieder einmal, dass sich dieLinke nicht von ihrer Vergangenheit und dem SED-Stasi-Unrechtsstaatgetrennt hat.» Höllrich sagt dagegen der dpa: «Jeder ist vor demRecht gleich, auch mein Mandant.»

Das sieht Birthler anders und verweist auf das Stasi-Unterlagen-Gesetz. Anders als das allgemeine Archivrecht unterscheide eszwischen Betroffenen und Mitarbeitern der Stasi. Betroffene hättenein Recht zu erfahren, wer sie bespitzelt hat. «Der Gesetzgeber hatdie Aufarbeitung der Stasi-Strukturen und die Information darüber,wer die Stützen des Stasi-Unterdrückungsapparates waren, als sowichtig eingestuft, dass dafür die allgemeinen Persönlichkeitsrechtevon Stasi-Mitarbeitern teilweise eingeschränkt werden dürfen.» DerenNamen müssten für Medien, Forschung und Aufarbeitung nichtanonymisiert werden.