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Geplante Flüchtlingsunterkunft in Bad Kösen Geplante Flüchtlingsunterkunft in Bad Kösen: Massive verbale Angriffe lassen Versammlung beinahe platzen

Von Holger Behrens und Michael Heise 14.08.2015, 10:14
Der Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU)
Der Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU) dpa Lizenz

Bad Kösen - „Borlachschule kein Asylantenheim“, „Asylanten in der Borlachschule niemals“ - die Botschaften, die Nachbarn der einstigen Bildungseinrichtung auf Tücher geschrieben an ihre Fassaden hängten, gaben einen Vorgeschmack auf das, was am Donnerstagabend im Kurmittelhaus von Bad Kösen (Burgenlandkreis) passieren sollte. Die Einwohnerversammlung zum Thema Asyl war nicht nur emotionsgeladen, sondern über weite Teile geprägt von einer aggressiven, ablehnenden Stimmung gegen Asylbewerber.

60 Flüchtlinge - so hatte die Kreisverwaltung kürzlich mitgeteilt - sollen in der einstigen Borlachschule untergebracht werden. Ab wann, ist noch unklar, als möglicher Zeitpunkt steht der September im Raum.

Rund 300 Männer und Frauen, hauptsächlich Bad Kösener, waren zur Einwohnerversammlung gekommen. So viele, dass das Kurmittelhaus aus allen Nähten platzte und viele Menschen über Lautsprecher draußen zu hören bekamen, was drinnen gesagt wurde.

„Menschenwürdige Unterkünfte“

Landrat Götz Ulrich (CDU) versuchte, die aufgeladene Stimmung mit sachlichen Argumenten zu entschärfen. Bad Kösen gehöre nach Zeitz, Weißenfels, Naumburg und Hohenmölsen zu den großen Kommunen des Burglandkreises und müsse sich der Herausforderung des Zustroms von Flüchtlingen genauso stellen wie andere auch. „Ich werde für menschenwürdige Unterkünfte sorgen“, sagte Ulrich. Nicht untergebracht würden Asylsuchende aus Bosnien-Herzegowina und Serbien, vielmehr könnten es Menschen aus Indien, Albanien, Eritrea, Syrien, Irak und anderen Ländern sein. Dies regele die zentrale Aufnahmestelle in Halberstadt, teilte der Landrat mit.

Doch sein Werben um Verständnis für die Situation der Menschen, die nach Angaben von Ulrich in vielen Fällen Kriegsflüchtlinge sind, schien das Publikum weitestgehend nicht zu interessieren. Stattdessen wurde gegen Ausländer gewettert, gab es Beschimpfungen, so dass die Veranstaltung, zu der Polizei und Wachdienst aufgezogen waren, beinahe abgebrochen werden musste.

Wortmeldungen spiegeln Ängste wieder

Ortschaftsratsmitglied Peter Kroha wies darauf hin, dass wie er selbst auch viele andere ältere Bad Kösener einst Vertriebene gewesen seien. Er wurde aber lautstark ausgebuht. „Ich schäme mich das erste Mal, ein Bad Kösener zu sein“, sagte er.

Viele Wortmeldungen spiegelten Ängste wider: Grundstücke in Bad Kösen würden durch die Nachbarschaft einer Flüchtlingsunterkunft an Wert verlieren, hieß es beispielsweise. Die ohnehin schon unattraktive Altstadt werde noch unattraktiver. Andere äußerten die Befürchtung, die Kriminalität werde steigen. Es sei doch viel wichtiger, meinte ein Bad Kösener, die Borlachschule wiederzubeleben. Schließlich sei dort erheblich investiert worden.

Mehr Unterstützung erwartet

Die Leiterin des Polizeireviers Burgenlandkreis, Annett Wernicke, ging auf die angeblich steigende Kriminalität durch Ausländer ein. Die Statistik belege das nicht. Sie verwies auf 300 Straftaten in Bad Kösen mit 100 Tatverdächtigen im Jahr 2014. Die Aufklärungsquote liege bei 60 Prozent, die Täter seien alle Deutsche gewesen.

Landrat Ulrich sagte am Freitag auf Nachfrage, dass emotionsgeladene Debatten sein müssten. Von der Schärfe in Bad Kösen sei er aber überrascht gewesen. „Ich wusste, was mich erwartet. Doch solch eine Stimmung gab es noch nicht einmal in Tröglitz.“ Und er habe zu wenig Schützenhilfe erhalten, auch weil sich in Bad Kösen bislang keine Initiative pro Flüchtlinge gefunden habe. Vor allem von Seite der Kirche habe er sich Unterstützung erhofft.

Die nächste Einwohnerversammlung gibt es am 18. August in Naumburg. Zu den 239 Flüchtlingen, die dort bereits wohnen, sollen weitere hinzukommen. Wie viele ist unklar. Auch wo sie untergebracht werden sollen. Die Hoffnung des Landrats: „Naumburg hat ein breites bürgerschaftliches Engagement für Flüchtlinge. Dort wird die Stimmung eine andere sein als in Bad Kösen.“ (mz)