Gefährliche Industrieabfälle aus Frankreich Gefährliche Industrieabfälle aus Frankreich: Sondermüll auf dem Weg ins thüringische Sondershausen
Wittelsheim - Elf Jahre nach Schließung der einzigen Deponie für hochgiftige Industrieabfälle in Frankreich hat am Montag der Abtransport des dort gelagerten Sondermülls nach Deutschland begonnen. Wie ein AFP-Reporter berichtete, verließ ein Lastwagen die Deponie Stocamine in Wittelsheim im Südelsass. In der ersten Fuhre werden rund 18 Tonnen Giftmüll auf dem Sattelschlepper quer durch Deutschland gefahren, weil ihn eine Deponie in Thüringen am günstigsten abnimmt.
Das elsässische Stocamine war 2003 nach einem Brand geschlossen worden. Seitdem stritten Frankreichs Politiker, Experten, Umweltschützer und Vertreter der Betreiberfirma über die beste Lagermöglichkeit für die sogenannten ultimativen Abfälle. Den preiswertesten Abnehmer für ihren gefährlichen Giftmüll fanden sie schließlich mit der Untertagedeponie im ehemaligen Salzbergwerk „Glückauf“ in Sondershausen. Dass die Sonderbehälter mit zyanidhaltigen Härtesalzen, dioxinverseuchten Filterrückständen aus Verbrennungsanlagen und schwermetallbelasteten Klärschlämmen nun die weite Reise nach Thüringen machen, sorgte bei französischen Umweltschützern für Kopfschütteln.
Beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gab es eine resignierte Reaktion: „So ist das eben in Europa, die suchen sich die finanziell günstigste Entsorgung“, sagte Burkhard Vogel, Geschäftsführer vom BUND Thüringen, der Nachrichtenagentur AFP. Die Glückauf Sondershausen Entwicklungs- und Sicherungsgesellschaft (GSES) ist Spezialist für Abfallstoffe aus anorganisch-chemischen wie thermischen Prozessen, Bau- und Abbruchabfälle sowie Müll aus Abfallbehandlungsanlagen. Sie werden in einem ehemaligen Salzbergwerk eingelagert. Dies ergebe „grundsätzlich Sinn“, sagte Vogel vom BUND. Nicht alle Experten sind dieser Ansicht. Alain Rollet, der mit der Abwicklung der früheren elsässischen Kalisalzminen betraut war, hätte den Giftmüll lieber in Stocamine gelassen und die Deponie abgesperrt.
„Dies wäre bei weitem das sicherste Szenario“, sagte er. Er warnte vor den Gefahren, denen die Arbeiter bei der Räumung und dem Abtransport ausgesetzt sind. Als „verrückt“ bezeichnete der Sprecher des Kollektivs Destocamine, Yann Flory, den Giftmülltourismus. Denn in Thüringen werde das höchst toxische Material unter gleichen Bedingungen wie im Elsass eingelagert - in einem Salzstock rund 500 Meter unter Tage.
Und auch dort gebe es unter dem Salzstock Grundwasser, was als große Gefahr in Stocamine angesehen wird. Doch auf Druck örtlicher Abgeordneter und Anwohner macht Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal bei der Leerung von Stocamine Tempo. Sie will „ein Maximum“ der quecksilber- und arsenhaltigen Abfälle von dort fortschaffen lassen - etwa ein Fünftel der 44.000 Tonnen Sondermüll. Nach bisheriger Planung dürften sich die Transporte nach Thüringen bis zum Jahr 2020 hinziehen. (afp)