Gefährliche Hüpfburgen Gefährliche Hüpfburgen: Wie Fans ganze Stadien zum Einsturz bringen können

Magdeburg - Die ersten Warnungen hat es bereits 2007 gegeben - auch wenn das Problem damals noch weit weg schien. Fans im brasilianischen Salvador feierten den Aufstieg ihres Fußball-Teams, als in dem mehr als 50 Jahre alten Stadion plötzlich eine Tribüne mit hüpfenden Fans zusammenbrach. Doch Experten sagten bereits damals, dass das Alter des Stadions nicht der entscheidende Faktor sei.
Immense Kräfte
„Wir glauben, dass sich dieses Unglück in ähnlicher Art und Weise auch in unseren modernen Fußballstadien wiederholen kann“, warnte Michael Kasperski, Leiter eines Forschungsteams aus Bauingenieuren der Ruhr-Universität Bochum. Grund dafür seien die immensen Kräfte, die durch gleichmäßig hüpfende Fans entstehen und auf die Tribünenkonstruktion wirken. „Unsere Simulationen haben gezeigt, dass die dynamischen Lasten der hüpfenden Zuschauer um das Dreieinhalb- bis Viereinhalbfache höher sind als die statischen Lasten.“
Bereits ein Jahr vor dem Unglück in Brasilien war das neue Stadion in Magdeburg eröffnet worden. Die moderne Arena war für 31 Millionen Euro errichtet worden. Das Stadion, das 27.000 Fans Platz bietet, war für eine Laufzeit von 50 Jahren konzipiert worden - doch daraus wird wohl nichts. Nach Messungen könnte für die Heimstätte des Drittligisten 1. FC Magdeburg bereits in sieben Jahren das vorzeitige Aus kommen. Der Grund auch hier: rhythmisch hüpfende Fans auf den Rängen.
Messungen mit hochsensiblen Geräten bei den sehr gut besuchten Heimspielen gegen Dresden und Rostock in der vergangenen Saison hatten ergeben, dass die Tribünen bis zu drei Zentimeter schwingen. „Das ist zwar alles im Bereich der Normen und es besteht auch keinerlei akute Gefahr für die Standsicherheit“, betonte ein Stadtsprecher in der „Magdeburger Volksstimme“. Aber es gebe noch einen anderen Aspekt: „Wenn die Tribünen weiterhin so beansprucht werden, dann wird sich die Lebensdauer des Stadions erheblich verkürzen. Rein rechnerisch ist eine verbleibende Standzeit von etwa siebeneinhalb Jahren ermittelt worden.“
Hüpfen verkürzt Lebenszeit der Stadien
Warum wurde das Hüpfen nicht in die Berechnungen zum Stadionbau einbezogen? „Das Stadion entspricht allen Normen und hält das Fünffache an realer Belastung aus. Allerdings war dieses gleichmäßige Hüpfen zur Zeit der Planungen Anfang der 2000er Jahre noch nicht so stark ausgeprägt wie heute. Das Hüpfen zehrt nun an der Lebenszeit des Stadions“, sagte der Sprecher.
Auch in der Fanszene wird diskutiert. Dirk Heidicke vom FCM-Fanrat sagte: „Wenn es ein technisches Problem gibt, dann muss man es technisch lösen. Springen, klatschen, hüpfen gehört nun mal zur Fankultur.“ Ein Hüpfverbot will die Stadt nicht verhängen, auch die Sperrung der MDCC-Arena wurde ausgeschlossen.
Es gibt keine Normen
Leider gebe es für deutsche Stadien keine Normen, die dynamische Lasten durch hüpfende Fans berücksichtigen würden, sagte Kasperski im Vorjahr der „Süddeutschen Zeitung“. Wer Fußballstadien neu baue, halte sich meist an die Richtlinien aus Großbritannien. Und dort sei man der Meinung, Fußballfans würden nicht hüpfen. „Unsinn“, meint der Bochumer Ingenieur, „hier drohen im schlimmsten Fall die nächsten Katastrophen.“
Bereits im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 hatten die Bochumer Forscher auf die Sicherheitslücke aufmerksam gemacht - ohne Erfolg. „Unsere Warnhinweise wurden mit der Erklärung, dass die Stadien von Experten entworfen worden sind, missachtet.“ Dabei hatte es ein Jahr vor dem WM-Turnier fast ein Unglück im Nürnberger Stadion gegeben. Dort waren durch hüpfende Fans im Oberrang Teile der Betonabdeckung abgeplatzt und heruntergefallen. Wie durch ein Wunder blieben größere Verletzungen bei den Fans im Unterrang aus.
Entwarnung in Halle
Die Verantwortlichen in Halle geben sich derweil entspannt. Rhythmisches Hüpfen der Anhänger des Halleschen FC ist laut Betriebsgesellschaft keine Gefahr für die Lebensdauer des Erdgas Sportparks. Probleme wie in Magdeburg seien nicht bekannt, so ein Sprecher. „In Halle haben wir kompakte Tribünen, die wir allen Belastungstests unterzogen haben. Es gibt keinen Grund, beunruhigt zu sein.“ (mz)