Geburtenstationen machen zu Geburtenstationen machen zu: In Sachsen-Anhalt schließen immer mehr Kreißsäle

Magdeburg - In Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Kliniken mit Entbindungsstationen stark gesunken - und das trotz konstanter Geburtenzahlen. Das geht aus aktuellen Daten des Sozialministeriums hervor. Gab es 2000 noch 33 Geburtskliniken im Land, so waren es 2017 nur noch 24 - ein Rückgang von 27 Prozent.
Auch bundesweit sind die Zahlen deutlich zurückgegangen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es 2000 noch 1048 Kliniken mit Geburtshilfe, 2016 waren es nur noch 690.
Aktuelles Beispiel: Zerbst macht Geburtenstation dicht
Jüngstes Beispiel ist die Entbindungsstation der Helios-Klinik in Zerbst (Anhalt-Bitterfeld), die am 1. Juli schließen wird. Die Mütter müssen ab dann zum Entbinden nach Dessau-Roßlau, Köthen oder Burg fahren.
„Wir können wegen fehlender Fachkräfte und trotz intensiver Suche keine dauerhafte qualifizierte stationäre Betreuung aufrechterhalten“, sagte Klinikgeschäftsführer Georg Thiessen. Pikant daran: Erst vor gut zwei Jahren hatte die Klinik 1,7 Millionen Euro in moderne Kreißsäle investiert.
Geburtenstationen - Zentralisierung greift um sich
Die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Zeitz (Burgenlandkreis) ist zwar mit rund 370 Geburten pro Jahr ebenfalls eine kleine Station. Doch nach Schließung der Entbindungsstation in Weißenfels steigen die Geburtszahlen in Zeitz. „Es wird eine noch stärkere Zentralisierung geben“, erklärte Chefarzt Maik Thieme.
Er befürchtet, dass die Schließung von Geburtenstationen letztlich auch dem Image der Kliniken schaden könnte. „Viele Eltern werden auch nach der Geburt in die entferntere Klinik fahren, wenn sie dort gute Erfahrungen gemacht haben“, sagte er.
Ein Krankenhaus für über 12 Prozent aller Babys im Land
Ganz anders als in Zerbst werden die Folgen der Zentralisierung am Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle spürbar. In der Klinik kommen im Jahr 2100 Kinder zur Welt - und damit fast jedes achte Baby in Sachsen-Anhalt.
Für Sven Seeger, Chefarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, ist der Fachkräftemangel auch nur ein Teil der Erklärung. „Auch die Wirtschaftlichkeit der Kliniken spielt eine entscheidende Rolle“, sagte er der MZ.
Kreißsaal lohnt sich erst ab 700 Babys
Erst ab einer Zahl zwischen 500 und 700 Geburten pro Jahr, so der Chefarzt, würden sich Entbindungsstationen für Kliniken auch rentieren. Daher träfen Schließungen vor allem kleinere Städte wie Zerbst. Doch der Chefarzt beruhigt: „Wir sind weiter gut und flächendeckend mit Geburtsstationen versorgt.“
Dass sich viele Eltern über längere Wege in die nächste Klinik beschweren, kann Seeger nicht nachvollziehen und verweist auf die Situation in Metropolen wie Berlin. Familien aus Zerbst bräuchten genauso lange ins nächste Krankenhaus wie viele Eltern in der Hauptstadt.
Petra Chluppka, Chefin des Hebammenverbands Sachsen-Anhalt, blickt dennoch besorgt in die Zukunft. „Kleine Kliniken haben ebenfalls eine Daseinsberechtigung. Bei der Geburt darf Effizienz keine Rolle spielen.“
Hebammenmangel verschärft die Situation
Auch der Hebammenmangel an den Kliniken sei kein gutes Zeichen. Viele von ihnen seien überlastet und müssten sich um viele Frauen gleichzeitig kümmern. „Wir sind oft auch nur noch OP-Helfer statt Geburtshelfer“, sagte Chluppka. Das hänge vor allem mit der hohen Zahl von Kaiserschnitten zusammen.
Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) räumte derweil ein, dass bundesweit Hebammen fehlen und es keine verlässlichen Daten zu ihrer Lage gebe.
Zahlen zur Hebammenversorgung in Sachsen-Anhalt sollen noch 2018 veröffentlicht werden. Zudem will das Land die Zahl der Ausbildungsplätze bis Jahresende von 35 auf 52 erhöhen. (mz)