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Gaststätte Fischer in Dederstedt Gaststätte Fischer in Dederstedt: Crème brûlée und Bratkartoffeln

Von iris stein 15.02.2015, 07:59
Agneta Fischer in Dederstedt
Agneta Fischer in Dederstedt jens schlüter Lizenz

Dederstedt - Ein sonniger, klarer Tag, Kälte, ein bisschen Schnee - also hinaus an die frische Luft. Ein Spaziergang durch die Weinberge zwischen Langenbogen,  Höhnstedt und Rollsdorf? Auch im Winter sehr empfehlenswert, selbst wenn dann die beliebten Straußwirtschaften geschlossen sind.

Weite Blicke öffnen sich ins Land, die Schnee überzuckerten Rebstöcke haben ihren ganz eigenen Reiz, und am Ende ist der Wanderer durchgefroren - und hungrig. Einkehren? Kein Problem, schließlich bieten sich in Höhnstedt, Seeburg oder Eisleben genügend Möglichkeiten sozusagen am Wege.

Doch hatte nicht unlängst jemand im Bekanntenkreis von Bratkartoffeln geschwärmt? Noch handgemacht und äußerst köstlich, wie man sie in Zeiten der Halbfertigprodukte leider nur noch selten in Gaststätten serviert bekommt? Genau nach solchen einfachen Genüssen ist uns jetzt und so steuern wir Dederstedt an, kurz hinter Höhnstedt gelegen, genau auf der nahezu schnurgeraden Verbindungsstraße von Seeburg nach Schwittersdorf. Die Gaststätte Fischer sorgte seinerzeit bei Freunden für das so gelobte kulinarische Erlebnis und das wollen wir jetzt auch haben.

Vergessene Gemütlichkeit

Auf eine Art gemütlich, die man fast vergessen hatte, empfängt der Gastraum für Nichtraucher die hungrigen Besucher. Ganz einfach, ganz schlicht und doch so vertraut, so, wie es irgendwann früher einmal war. Keine Sorge, die Zeit ist hier dennoch nicht stehengeblieben. Abgesehen vom Digitalradio, ist vor allem die Speisekarte durchaus auf der Höhe.

Das Tagesangebot offeriert ein komplettes Menü, und das kann sich sehen lassen: Gebeizter Atlantiklachs mit Kartoffeltalern, Wildschweinbraten mit Gnocchi und Spitzkohl, zum Dessert Crème brûlée (16,50 Euro). Natürlich finden wir auch die legendären Bratkartoffeln - mit Rostbrätel und Zwiebel (5,20 Euro). Wir haben sie nicht probiert, denn anderes lockte mehr. Das Entrecôte vom argentinischen Rind beispielsweise mit Balsamicoschalotten und gebratenen Kartoffeln (12,90 Euro). Die gebratenen Kartoffeln, verrät die Chefin des Hauses, seien das gleiche wie Bratkartoffeln - das eine in Stücken und das andere in Scheiben. Vor allem waren sie tatsächlich himmlisch und schmeckten wunderbar nach Speck und Zwiebel, und das alles knusprig und ohne in Fett zu schwimmen.

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Zuvor gab es übrigens Backkartoffel mit Zwiebel-Schinken-Füllung (2,90 Euro), die nichts, aber auch gar nichts mit der ungeschälten Riesenknolle zu tun hatte, die unter diesem Namen gewöhnlich serviert wird. Fischers Backkartoffeln sind kleine Kartoffelstücken mit einer köstlichen Füllung aus gehackter Zwiebel, Speck und Käse. Im Nachhinein haben wir beschlossen, beim nächsten Mal davon nicht eine Vorspeisenportion, sondern ein Hauptgericht zu ordern. Die Tomatensuppe (2,20 Euro) auf der anderen Seite des Tisches überzeugte durch ihre Würze. Nicht nur der auf der Karte genannte Chili machte diese aus, sondern da waren nicht zuletzt auch noch Rosmarin und Thymian zu schmecken, und gekrönt wurde das Süppchen von einem extra Schuss fruchtigen Olivenöls.

Bernd Fischer, Sohn der Hausherrin, steht in der Küche und zeigt, was er einst im „Mansfelder Hof“ in Eisleben gelernt hat. Die sichere Handhabung von Gewürzen gehört zweifellos dazu. Dem knackigen Spitzkohl des Menüs gibt der 42-jährige Küchenchef mit Koriander den richtigen Pfiff, das Rahmsauerkraut, das zum Zanderfilet mit Speckstreifen gereicht wird (9,90 Euro), ist ebenso pikant im Geschmack und nicht weniger gelungen.

Das Entrecôte war auf den Punkt gebraten, das Wildschwein wunderbar mürbe und mit einer Soße, wie sie eigentlich nur Oma immer hinkriegte, und überhaupt haben wir uns wirklich wohl gefühlt. Agneta Fischer - „Ich heiße wie die von Abba, nur ohne h“, kommentiert die Chefin selbstbewusst - war stets zur rechten Zeit zur Stelle und bewies mehrfach, dass sie sich perfekt mit Gästen und deren Wünschen auskennt. Ein vegetarisches Gericht? „Das muss heutzutage auf der Karte stehen“, sagt die 65-Jährige und verweist auf Gemüse-Omelett mit Ziegenfrischkäse und Baguette (6,50 Euro).

Lobenswert ist zweifellos auch die Weinkarte. Natürlich fehlt ein hiesiger Tropfen nicht: Höhnstedter Müller-Thurgau vom Weingut Born (13,50 Euro). Alle anderen Weißen sind deutscher Herkunft, bis auf den offenen, der als spanische Cuvee in Bioqualität daherkommt (0,2 l für 3 Euro) - und durchaus überzeugen kann.

Ungewöhnliches aus der Pfalz

Die roten Tropfen stammen aus Argentinien, Spanien und Italien, der offene Hauswein ist sowohl trocken als auch halbtrocken zu haben. Und noch etwas sehr Ungewöhnliches findet sich: ein Blanc de Noirs aus der Pfalz (15 Euro), ein aus roten Trauben gekelterter Weißer. Ein Tropfen, von dem böse Zungen behaupten, das sei ein Wein, den niemand brauche. Das sieht man in Frankreich anders, denn dort wird aus roten Trauben Champagner oder Crémant gekeltert. Der dabei verwendete Pinot Noir soll den schäumenden Edelgetränken Gewicht und Körper verleihen. Beides charakterisiert zweifellos auch den Spätburgunder, den das durchaus renommierte Weingut Diehl aus der Pfalz zu seinem Blanc de Noirs verarbeitet hat. Eine kräftige und überraschende Entdeckung mit leichtem Roséton - und eine sehr angenehme dazu.

Noch ein Wort zur Crème brûlée (2,80 Euro), die als Dessert natürlich von allen Gästen geordert werden kann, nicht nur von denen, die das Menü gewählt haben: Darf man in einer Gaststätte das Schälchen auslecken? Nein, genauso wenig wie zu Hause - aber es verlangt Beherrschung es nicht zu tun.

Beim Abschied fällt noch ein Vorzug ins Auge: Um die Gasträume zu betreten oder zu verlassen, geht es durch einen kleinen Innenhof. Der ist, das lässt sich auch im Winter ahnen, im Sommer einfach ein wunderbarer Platz. Weinüberwachsen von einem uralten Stock, lauschig und genau der rechte Rastplatz nach einer Fahrrad-Tour. Also: Wir kommen wieder! (mz)

Entrecôte, Balsamicoschalotten, gebratene Kartoffeln
Entrecôte, Balsamicoschalotten, gebratene Kartoffeln
Jens Schlüter Lizenz