Gastronomie Gastronomie: Erfolgreiche Wende bringt Brockenwirt Steinhoff den Wolken nahe

Schierke/dpa. - Wenn Hans Steinhoff an die Wiedervereinigungdenkt, bekommt er feuchte Augen. «Sie war ein Segen», sagt der 61-jährige gelernte Koch sichtlich ergriffen, dessen Leben vor 15 Jahreneine ungeahnte Wendung nahm. Aus dem Leiter eines Urlauberrestaurants für DDR-Werktätige wurde ein erfolgreicher Wirt mit 70 Beschäftigten:Seit 1990 verköstigt er die Gäste auf dem 1142 Meter hohen Brocken,dem höchsten Gipfel Norddeutschlands.
Die Steinhoffsche Erfolgsstory nahm ihren Anfang im Dezember 1989.Nach der Grenzöffnung im jahrzehntelang geteilten Harz gehörte derKoch zu den ersten, die sich auf die Marktwirtschaft einließen. Erlieh sich bei seinem Arbeitgeber Gulaschkanone und Grill undversorgte mit seiner Ehefrau Ursula die Karawanen von Westbesuchernmit deftiger Erbsensuppe, Bratwurst und Glühwein. «Wir sagten damals,jetzt muss man was machen, und verdienten unser erstes Westgeld.Dinge wie Buchhaltung oder Schankgenehmigung spielten damals nochkeine Rolle.»
Im Januar 1990 bot sich die Chance, auf dem bis dahin imGrenzgebiet eingemauerten Brocken eine Gaststätte einzurichten. «Nachdem Abzug von Stasi, DDR-Grenztruppen und der russischenSpionageeinheit war der Gipfel wieder zugänglich», sagt Steinhoff.«Mir war klar, dass viele, viele Menschen den so lange unerreichbarenSehnsuchtsberg erklimmen wollten.» Gesagt, getan: Von der damaligenReichsbahn pachtete er einen Saal des alten Brockenbahnhofs, stellteHolzbänke aus DDR-Beständen hinein und beköstigte die Besucher, diezunächst zu Fuß zum Gipfel kamen. Seit September 1991 können sie auchmit einer Schmalspurbahn hinauf fahren, rund 1,5 Millionen sind es imJahr.
Heute umfasst das kleine Imperium des Brockenwirts, in demmittlerweile auch Sohn Daniel (33) und Tochter Christiane (37)arbeiten, neben der Brockengastronomie drei Hotels und ein Café imunterhalb des Berges gelegenen Schierke. Der Stolz des 61-jährigenist jedoch das im Jahr 2000 eröffnete einzige Hotel auf dem Gipfel,für das er einen Postturm umbauen ließ. «Hier bin ich den Wolkennah», schwärmt Steinhoff.
In dem Haus finden auch die Brockenstammtische statt, zu denenSteinhoff - seit mehr als 30 Jahren Mitglied der CDU - regelmäßigPolitiker, Wirtschaftsleute und Naturschützer einlädt. Mit letzterenhatte er immer wieder Probleme, weil der Brocken in einemNationalpark mit seltenen Pflanzen und Tieren liegt.
«Mein Vater ist schon ein Vorbild für mich», sagt Sohn Daniel. «Errackert, kann improvisieren, macht es den Mitarbeitern vor.»Manchmal, räumt der Junior ein, sei der Vater etwas zu dickköpfig,brause schon mal auf, wenn es nicht wunschgemäß läuft. «Na jastimmt», raunt der Senior, dem die Ärzte vor zwei Jahren nach einemHerzinfarkt fünf Bypässe legten und mehr Ruhe nahe legten.
Kürzer treten will der agile 61-Jährige, der auch heute nochhäufig selbst an der Gulaschkanone steht, trotzdem nicht. «Luxus istfür mich, mal ausspannen zu können, leider passiert das viel zuselten», gibt er zu. Drei, vier Mal im Jahr fährt er ein paar Tage indas Ferienhaus auf der Osteeinsel Poel, «manchmal nur zumRasenmähen», wie er sagt.