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Fusion oder Holding Fusion oder Holding: Land plant neue Strukturen der Unikliniken

Von Hendrik Kranert-Rydzy und Kai Gauselmann 08.05.2014, 08:31
Die Uniklinik Halle steckt in den roten Zahlen. Das Land sucht nach Lösungen für die Finanznot.
Die Uniklinik Halle steckt in den roten Zahlen. Das Land sucht nach Lösungen für die Finanznot. Günter Bauer Lizenz

Magdeburg/MZ - Die Entscheidung wird nicht leicht, die Atmosphäre schon: Mitte Juni trifft sich die Landesregierung für eine Klausur zum nächsten Doppelhaushalt. Nicht im Magdeburger Kabinetts-Saal - die Zukunft der Unikliniken und andere Spar-Baustellen will die Ministerriege im „Vier-Sterne-Superior Resort und Wellnesshotel“ Schindelbruch beraten. Idyllisch im Harz gelegen, lockt das Hotel mit seinen Wellness-Angeboten. Erst sparen, dann Spa: Bei Bedarf können die Minister etwa im „Ruheraum Mondlichtung“ neue Energie tanken, wie die Hotel-Internetseite verrät: „Mit Blick auf den Spa-Duftgarten, entfaltet der Raum seine eigene Freude. In seiner Mitte zaubert schwebendes Licht die magische Stimmung des aufgehenden Mondes herbei.“

Soviel Leichtigkeit werden die eigentlichen Beratungen jedenfalls nicht bieten. Nach MZ-Informationen wird es um gravierende Umstrukturierungen der Unikliniken gehen: Entweder sollen die Unikliniken unter einem Dach zusammengeführt werden - oder jeweils mit Krankenhäusern in ihren Städten. Gravierende Änderungen, die auf einigen Widerstand stoßen dürften.

„Meine Sache sind die Zahlen“

Bei einer Fusion gebe es nämlich in Sachsen-Anhalt nur noch ein Universitätsklinikum - mit zwei Standorten. Damit würde zwar einer Forderung des Landtags und einem Versprechen von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Rechnung getragen, beide Standorte zu erhalten. Doch es würde nur noch eine Verwaltung mit einem kaufmännischen und einem ärztlichen Direktor für beide Häuser geben. Darüber hinaus dürfte es zu Schließungen einzelner, doppelt vorhandene Abteilungen kommen. Die zweite mögliche Variante ist, dass die Uniklinik Magdeburg eine gemeinsame Holding mit dem Städtischen Klinikum der Landeshauptstadt bildet; in Halle wäre ein denkbarer Holdingpartner das Klinikum „Bergmannstrost“. Ob diese allerdings noch Interesse an Partnerschaften haben, ist abzuwarten.

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Die beiden möglichen Modelle haben sich die Spitzen von Landesregierung und Koalitionsfraktionen bereits am Dienstag im Nachgang einer Lagebeschreibung von Gutachter Klaus Teichert besprochen. Teichert, der von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) für eine Lagebeurteilung geholt worden war, hatte dort klar gemacht, dass weder die Uniklinik in Halle, noch die in Magdeburg mit Hilfe der bisherigen Konsolidierungsmöglichkeiten aus ihren Verlusten herauskommen können.

„Wir stehen vor einer Zäsur“

Teichert zufolge droht in Halle ab diesem Jahr ein Defizit von 15 Millionen Euro, in Magdeburg sind es etwa sechs Millionen. In der CDU-Fraktion haben die Zahlen Eindruck gemacht. Ullrich Thomas, wissenschaftspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, machte die Führung der Uniklinik Halle verantwortlich: „Die Zahlen zeigen, dass die Geschäftsführung in Halle eine Katastrophe ist, ein solches Defizit ist deutschlandweit nahezu einzigartig.“ So könne nicht weitergewirtschaftet werden und „es dürfen die Fehler des Managements nicht auf dem Rücken der Studenten ausgetragen werden“, so Thomas. Qualität von Forschung und Lehre in Halle müssten gesichert werden.

Die „größte Katastrophe“ aber sei, dass die Klinikleitung nicht wisse, wie sie im dritten Quartal Gehälter zahlen wolle und darüber nicht informiere. „Die neuen Zahlen haben unsere Befürchtungen bestätigt, es muss dringend etwas passieren“, sagte auch CDU-Fraktionschef André Schröder und kündigte eine Änderung des Hochschulmedizingesetzes an. Schröder wollte sich zu Details möglicher „gesellschafterrechtlicher Änderungen“ nicht äußern, erklärte aber: „Wir stehen vor einer Zäsur.“

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Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) wollte die Überlegungen weder bestätigen noch dementieren. „Meine Sache sind die Zahlen“, sagte er. Für inhaltliche Konzepte seien Wissenschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) und Gesundheitsminister Norbert Bischoff (SPD) verantwortlich. Möllring wiederum erklärte, es handele sich um „Überlegungen, denen man näher treten muss“. Sein Haus sei federführend mit dem Sozial- und dem Finanzministerium beauftragt, bis zur Klausur im Schindelbruch „die entsprechenden Hausaufgaben zu erledigen.“

Bischoff ließ durchblicken, dass er eine Holdinglösung favorisiere, an deren Anfang aber Kooperationen stehen müssten: „Es gibt viel Bereitschaft sowohl in Halle als auch in Magdeburg und seit wenigen Monaten auch erstmals wieder viele Gespräche zwischen Beteiligten.“ Die Frage sei, ob die Kooperationsbereitschaft sich „am Ende auch vertraglich regeln lasse“.

Sanierung der Zahnklinik gestoppt

Die Landesregierung selbst hat den politischen Druck durch das Teichert-Gutachten erhöht. Der 59-Jährige sieht nicht nur finanziell, auch fachlich die Häuser kritisch. Auf Basis von Krankenkassen-Daten hat er „Qualitätsprobleme“ bei fünf Standardprozeduren ausgemacht. Bewertet wurden unter anderem Hüftgelenkersatz bei Arthrose und Gallenblasenentfernung. Beide Unikliniken schneiden nur durchschnittlich oder unterdurchschnittlich ab. Außerdem sind die Unikliniken nach Teicherts Prognose überdimensioniert. Demnach gebe es 2025 bei insgesamt 2 126 Betten in den Unikliniken eine Überkapazität von 865 Betten. Für Sachsen (235) und Thüringen (90) sagt er viel geringere Überkapazitäten voraus.

Weil Bullerjahn die Vergabe der Sanierung der Zahnklinik in Halle bis zur Kabinettsklausur gestoppt hat, werden die Unikliniken kommende Woche - in der heißen Phase des Kommunalwahlkampfes - auf Antrag der Linken Thema im Landtag. „Es ist unverantwortlich, die dringend benötigten Baumaßnahmen an der Zahnklinik zu stoppen und damit die Gefahr heraufzubeschwören, dass die wichtige medizinische Einrichtung, Forschungs- und Ausbildungsstätte nicht in der geplanten Zeit die durch Gebäudeschäden eingeschränkte Handlungsfähigkeit wiedererlangen kann“, sagte Linken-Hochschulexperte Hendrik Lange.

Finanzlage der Unikliniken
Finanzlage der Unikliniken
Grafik/MZ Lizenz