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Frauenhandel Frauenhandel: Mammutprozess gegen russisch-deutsche Bande

Von Silvia Zöller 04.04.2002, 19:06

Halle/MZ. - Zu allen Vorwürfen, erklärten die Angeklagtenübereinstimmend, wollen sie keine Aussagemachen. Über 60 Beteiligte gehören zu demMammut-Verfahren, das im Hochsicherheitstraktdes Justizzentrums verhandelt wird. Nebenden acht Angeklagten und ihren 16 Verteidigernwerden drei Nebenklägerinnen, vertreten vondrei weiteren Anwälten, vier Richter, vierSchöffen und zwei Staatsanwälte an den Verhandlungstagenteilnehmen. Zwei Dolmetscher und rund zwanzigWachbeamte lassen die Zahl in bislang unbekannteDimensionen ansteigen.

Eineinhalb Stunden dauert es, bis StaatsanwaltFrank Venjakob die insgesamt 72 Anklagepunkteverlesen hat, die die Essenz aus 7000 BlattErmittlungsakten und 10000 mitgeschnittenenTelefonaten sind. Insgesamt soll die internationalagierende Bande 160 namentlich bekannte Prostituierteseit 1998 aus Osteuropa illegal nach Deutschlandund Österreich gebracht haben. Viele der Frauensind in der Zwischenzeit wieder abgeschoben,die Anklage erwähnt 40 Frauen ausdrücklich.

In mehreren Bordellen im südlichen Sachsen-Anhaltsowie in Thüringen mussten die teilweise erst18-Jährigen laut Staatsanwaltschaft untermenschenunwürdigen Bedingungen der Prostitutionnachgehen und den Großteil ihrer Einnahmenan die Angeklagten abgeben. So auch im Braunsbedraer"Nightclub" von Klaus Kahlert, der zur Zeiteine Haftstrafe wegen Landfriedensbruch imZusammenhang mit dem Krieg zweier Rockerbandenin Merseburg absitzt.

Die anderen Mitangeklagten im Alter von 31bis 71 Jahren betrieben illegale Bordellein Bad Dürrenberg und Thüringen. In der NaumburgerPension des 71-jährigen Joachim W. boten dieRussinnen nicht nur ihre Dienste an - zusammenmit seinem Sohn Dietmar W. (45) fuhr er dieProstituierten auch direkt zu den Freiern,verlas Venjakob aus der Anklageschrift. Teilweisedurften die Frauen die Nachtclubs auch tagsübernur in Begleitung verlassen. Als eine derFrauen schwanger wurde, soll sie laut Anklagevon Motjakin gefesselt und mehrfach vergewaltigtworden sein.

Mit einer Art Ringsystem wurden die Frauenvon einem Bordell ins andere gebracht: VonErfurt nach Braunsbedra, weiter nach Naumburg,über Österreich wieder nach Obersdorf beiSangerhausen, Bad Dürrenberg oder in die Nähevon Eisenach. Wer wo zum Einsatz kommt, entschiedenmeist Kazihanov und Motjakin. Kazihanov giltlaut Anklageschrift als "Statthalter in Deutschland"für den Weißrussen Grigori Politajew als Kopfder international organisierten Schleusergruppe.Politajew soll sich zur Zeit auf der Fluchtbefinden.

Bei einer Großrazzia im April 2001 flog dieGruppe auf. Mehr als 500 Polizeibeamte unddie Antiterroreinheit GSG 9 stürmten damalsgleichzeitig mehr als 30 illegale Bordelle.Von den 15 damals Festgenommenen sind sechsbislang rechtskräftig verurteilt.