Fluthilfe nach Hochwasser Fluthilfe nach Hochwasser: Gummistiefel für 600 Euro

magdeburg/MZ - Gummistiefel waren vergangenen Sommer in Sachsen-Anhalt groß in Mode - aus einem weniger erfreulichen Anlass, der Flutkatastrophe. Das wasserdichte Schuhwerk fand reißenden Absatz. Ob für zehn Euro im Resteposten-Geschäft oder 30 im Baumarkt. Oder auch für 620 Euro. Auf der Internetseite des französischen Luxuslabels „Louis Vuitton“ etwa.
Teure Weingläser
Abwegig? Mitnichten: Der Investitionsbank des Landes, zuständig für die Regulierung von Hochwasserschäden, ist aus der Altmark ein Fluthilfe-Antrag auf den Tisch geflattert, wo die Geschädigten einen Hausratschaden von sage und schreibe 390 000 Euro geltend machen. Für den Preis lassen sich in Sachsen-Anhalt auch locker zwei Einfamilienhäuser bauen. In dieser Summe enthalten: Der Verlust von ein Paar Gummistiefeln, Marke „Louis Vuitton“, und sechs Weingläser - macht 6 000 Euro.
Man könnte das für einen schlechten Scherz halten angesichts des Umstands, dass Hunderte Flutopfer Mühe haben, ihren 20-prozentigen Eigenanteil für die Hochwasserhilfe aufzubringen. Doch um schlechte Scherze, beteuert Investitionsbank-Chef Manfred Maas, handele es sich beileibe nicht. Es seien zwar absolute Einzelfälle bei mehr als 2 500 geschädigten Hausbesitzern, die versuchten, aus dem Unglück Kapital zu schlagen. Doch es sind Fälle, die meinungsbildend sein können: Mitte März etwa verschickte die SPD-Landtagsfraktion nach einem Besuch im Elbe-Saale-Winkel eine Pressemitteilung, in der es unterem anderem hieß, „die Investitionsbank muss aus ihrem Winterschlaf aufwachen“ und endlich zügig die Fluthilfen auszahlen. Illustriert war die Kritik mit dem Fall einer Geschädigten, die bis dato kein Geld für ihre abgesoffene Ölheizung erhalten hatte. Stimmt, sagt Maas, aber die Betroffene habe nicht 9 500 Euro für eine neue Ölheizung, sondern mehr als 30 000 Euro für eine neue Holzpellet-Heizung in Rechnung stellen wollen. So etwas könne nicht gefördert werden, das „wird in zwei, drei Jahren dann ein Fall für den Bundesrechnungshof“.
Dritter und für Maas der „absolut schärfste Fall“: Ein Mitarbeiter einer Landesbehörde hatte für sein in bester Elbe-Lage gebautes Haus einen Schaden von 280 000 Euro gemeldet und einen Ersatzneubau von 240 000 Euro beantragt. Das ist rechtlich möglich und wurde auch von der Investitionsbank genehmigt. Deren Prüfer stießen im Internet jedoch auf eine Verkaufsofferte für die hochwassergeschädigte Immobilie, für die 160 000 Euro gefordert wurden. „Wir haben dem Mann dann gesagt, dass der Verkaufserlös auf die Fördersumme des Neubaus angerechnet werden muss“, sagt Maas und schiebt nach: „Und wissen Sie, was der uns gesagt hat: Dann schenke ich es meinem Vater und der verkauft es dann.“ Im Süden des Landes wiederum meldete ein Freiberufler einen Schaden von 800 000 an seinem Haus - nachweisen ließ sich gutachterlich aber nur ein Viertel der Summe. In Rede steht nun ein langwieriger Rechtsstreit.
Rechnung an die Mutter
Es sind jedoch nicht immer nur die großen, sondern oft auch kleine Dinge, um die bei der Fluthilfe gefeilscht wird: Etwa im Fall eines Kleinunternehmers, der seiner Mutter bei der Beseitigung der Flutschäden half und ihr dafür tatsächlich eine Rechnung stellte - über 2 500 Euro. Darin enthalten eine Forderung über 500 Euro für die Entsorgung von 481 Marmeladengläsern. Mit dem Begriff „kleinlich“ lässt sich auch umschreiben, was ein anderer Hausbesitzer als Schaden meldete: Einen Haarriss mit der Breite von 0,03 Millimeter. „Das konnte der Gutachter nicht einmal fotografieren, weil die Auflösung der Kamera das nicht schaffte“, sagt Maas. Weniger kleinlich war die für den Riss geforderte Summe - 15 000 Euro. In den allermeisten Fällen ist es aber nicht Vorsatz, sondern schlicht Unkenntnis, die zu überzogenen Forderungen führten, so Maas. Nicht wenige Betroffene seien schlicht mit der nun einmal nicht zu vermeidenden Bürokratie überfordert. „Wir können aber viele Betroffene im persönlichen Gespräch dazu bringen, ihre Maßstäbe zurückzuschrauben“, sagt Förderexperte Thomas Kühne von der Investitionsbank. Etwa wenn es darum geht, dass statt der 20 000 Euro teuren, neuen Heizung nur ein halb so teures Modell eingebaut wurde. Und für den Rest der Summe Solarpanele fürs Hausdach beschafft wurden. Umgekehrt sei es aber möglich, bei höheren Rechnungen auch die Fördersumme zu erhöhen. In besonders strittigen Einzelfällen, die nicht selten von Politikern auch im Wahlkampf benutzt würden, biete man immer auch Einzelgespräche an. Lediglich in drei Fällen seien solche Gespräche auch erfolgt, allerdings ergebnislos, so Kühne: „Wir drehen uns da im Kreis.“