Fluglotsen Fluglotsen: Nur keinen Fehler!
Halle (Saale)/MZ. - "Über den Wolken, da muss die Freiheit wohl grenzenlos sein", sang Reinhard Mey 1974. Heute klingt die Liedzeile wie Hohn in den Ohren von Piloten und Fluglotsen. Es gibt kaum einen stärker reglementierten Bereich als den Luftraum über Mitteleuropa. Der Himmel über Deutschland ist unterteilt in unterschiedliche Sektoren, horizontal wie vertikal.
Für jedes dieser Kuchenstücke am Firmament trägt ein Fluglotse die Verantwortung, um den reibungslosen Ablauf von Flugplänen zu organisieren und zugleich gefährliche Annäherungen am Himmel oder gar Zusammenstöße zu verhindern. Die Sektoren sind unterschiedlich groß - von nur wenigen Kilometern Breite und 1 000 Metern Höhe bis hin zu einem Gebiet, das von der dänischen Grenze bis zum Stadtrand von Berlin führt.
Ein Name, zwei Berufe
Derzeit gibt es 2 073 "Flugverkehrsleiter" - so der offizielle Name der Fluglotsen - in Deutschland. Dabei sind es zwei unterschiedliche Berufe. Während der "Towerlotse" auf einem Kontrollturm eines Flughafens arbeitet und die Bewegungen der Flugzeuge am Boden und in der unmittelbaren Umgebung des Flughafens kontrolliert, sitzt ein "Centerlotse" in einer der vier Niederlassungen der Flugsicherung in Bremen, Karlsruhe, München oder Langen. Dort werden die Flieger "auf Strecke" geführt. Je nach Einsatzgebiet sind das bis zu 82 Flugzeuge in der Stunde, die von einem Fluglotsen Höhenanweisungen und Streckenfreigaben bekommen.
Hier arbeiten die Lotsen im Zweier-Team - einer hält den Kontakt mit den Piloten, der andere organisiert den reibungslosen Verkehr im Sektor. Die meisten dieser Flüge sind planbar, die Startzeiten der Flugzeuge sind weit im Vorfeld bei der Flugsicherung angemeldet. Stressig wird der Job, wenn der Plan durcheinander gerät, viele Flugzeuge gleichzeitig einen Luftraum durchqueren wollen. Dafür gibt es in jedem dieser kleinen Sektoren eigene Höchstgrenzen. Zugleich arbeitet der Fluglotse in einem Riesennetzwerk von Institutionen, nationalen Regeln und internationalen Abkommen.
Um all das erfüllen zu können, müssen die Lotsen eine anspruchsvolle Ausbildung durchlaufen - bis zu 16 Monate lernen sie an der Flugsicherungsakademie in Langen bei Frankfurt die Grundlagen. Hier gilt es vor allem, sich durch Vorschriften zu lesen, die mehrere Regalmeter einnehmen und ständigen Änderungen unterworfen sind. Danach geht es für die Junglotsen an ihren späteren Arbeitsplatz, wo dann noch einmal bis zu anderthalb Jahre Ausbildung auf sie warten. Erst danach dürfen sie allein und eigenverantwortlich arbeiten. Um sich bei der Deutschen Flugsicherung als Neueinsteiger zu bewerben, sollten Abiturienten nicht älter als 24 Jahre sein und englisch sicher beherrschen.
Die Herausforderung
Die Eignung zum Beruf wird beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Hamburg geprüft. Dort geht es in erster Linie um räumliches Vorstellungsvermögen, gutes Gedächtnis und überdurchschnittliche Konzentrationsfähigkeit. Ein großer Teil der Bewerber scheitert an dieser Hürde.
Und so sieht die Praxis aus: Jedes Flugzeug, das in den nächsten Minuten in den eigenen Bereich einfliegen will, wird auf einem Papierstreifen angekündigt. Dort sind Abkürzungen eingetragen - das Funk-Rufzeichen, die gewünschte Strecke und Höhe, der Flugzeugtyp, Start- und Zielflughafen sowie die elektronische Kennung des Fliegers. Diese werden aus dem Flugplan abgeleitet und automatisch jedem Fluglotsen gebracht, damit dieser schon im Vorfeld sieht, wo Probleme und gefährliche Annäherungen in seinem Sektor auftreten können. Das Radarbild vor ihm ist dabei nur eine Hilfe, die Zahlen- und Datenkolonnen zu visualisieren. Aber auch hier schreitet die Technisierung voran, in Bremen arbeitet bereits ein sogenanntes "streifenloses System", bei dem die Daten direkt am Computer einlaufen und automatisch Warnungen erzeugt werden. Die letzte Verantwortung aber bleibt beim Fluglotsen.
Mit 55 ist Schluss
Die Lotsen arbeiten in der Regel ein bis zwei Stunden, bevor sie in eine vorgeschriebene Pause gehen. Mit zunehmendem Alter geht der Job an die Substanz - regelmäßige Kuren sollen einem Burnout vorbeugen. Der Vorruhestand wird finanziell versüßt - Fluglotsen scheiden in der Regel mit 55 Jahren aus dem aktiven Dienst aus. Während die Auszubildenden an der Akademie in Langen 800 Euro monatlich erhalten, erhöht sich das Gehalt für die Lotsenanwärter während der Ausbildung auf bis zu 4 600 Euro. Je nach Einsatzbereich gehen vollausgebildete Fluglotsen dann mit jährlich 72 000 bis 130 000 Euro brutto nach Hause. Dazu werden Schicht- und Feiertagsarbeit extra bezahlt. Das Gehalt ist hoch. Begründet wird es unter anderem mit der ständigen Belastung und der Gewissheit, sich keinen Fehler leisten zu dürfen.
Nach acht Stunden Arbeit sollte Schluss sein - so die Theorie. Durch den Nachwuchsmangel müssen viele Lotsen Überstunden leisten. An deren Vergütung entzündete sich jetzt der Konflikt zwischen Gewerkschaft und Flugsicherung. Die DFS sucht derweil weltweit nach ausgebildeten Fluglotsen, die nach kurzer Umschulung in Deutschland eingesetzt werden können.