Fernsehen Fernsehen: Stars für sechs Minuten
Mainz/Halle/MZ. - Wer Josef Kratz von weitem sieht, glaubt es nicht, und wer ihm näher kommt, hält es erst recht für völlig unmöglich. Dieser kleine Mann mit dem mächtigen Kugelbauch soll in der Lage sein, sich und alle seine Pfunde durch ein Loch zu zwängen, das kaum breiter als sein Kopf ist?
Damals, als Josef Kratz anbot, vor aller Augen den Beweis anzutreten, wusste Beate Weber ziemlich sicher, wie die Wette ausgehen würde. Schließlich ist die 49-Jährige nicht nur seit dem ersten Tag dabei bei Deutschlands beliebtester Samstagabend-Show, sondern ganz nebenbei auch noch die Königin der Wetten: Beate Weber sichtet die 1 500 bis 2 000 Wettvorschläge, die nach jeder Sendung eingehen, und wählt aus, wer mit seinem Wettangebot vor ein Millionenpublikum treten darf.
Zufall führte Regie
Ein Job, zu dem die freundliche Frau mit dem enzyklopädischen Gedächtnis eher zufällig kam. "Ich habe als Sekretärin beim ZDF gearbeitet, als Frank Elstner die Idee für die Sendung vorstellte", erinnert sie sich. Beate Weber wechselte in die neue "Wetten, dass..?"-Redaktion und ist heute für den Inhalt der Sendung verantwortlich.
"Was an Briefen kommt", beschreibt sie, "lese ich." Viele Vorschläge scheitern schon an dieser ersten Hürde: Zu gefährlich, zu langwierig, zu wenig spektakulär oder zu nah an einer der rund 700 Wetten, die in der großen Samstagabendshow schon einmal ausgespielt wurden. Beate Weber braucht keine Aufzeichnungen, um nachzuschauen, was schon war und was noch nicht. "Das habe ich", sagt sie, "alles noch im Kopf."
Ist das alles abgeklopft, kommt "ein kleiner Kreis an Fachleuten" zu Wort, der seine Meinung sagt: Wie wird die Wette für die Fernsehzuschauer aussehen? Ist sie spannend genug? Zeitlich zu schaffen? "Wir haben ja für jede nur sechs Minuten", sagt Beate Weber, "sonst geht die Sendung aus den Nähten."
Wie jeder Wetter, dessen Angebot Weber geeignet scheint, bekam auch Josef Kratz aus dem rheinischen Seelscheid dann einen Anruf aus Mainz. Für Beate Weber Routine: "Ich muss den Wettpartner kennen lernen und feststellen, wie ernst gemeint sein Vorschlag ist."
Gelegentlich ahne der Betreffende gar nichts von seiner Bewerbung, weil Freunde oder Bekannte sie für ihn abgeschickt haben, weiß Beate Weber. "Und manchmal sind die Leute richtig verblüfft über unser Interesse, weil sie selbst gar nicht der Meinung sind, dass sie etwas so Besonderes können."
Josef Kratz zum Beispiel, der vor genau zehn Jahren seinen großen Auftritt in "Wetten, dass..?" hatte, verfügte auf den ersten Blick nur über einen ausladenden Bauch mit 1,41 Metern Durchmesser. Wie stets schaute sich Beate Weber das Kunststück an, mit dem der Mann aus Süddeutschland später das Fernsehpublikum verblüffte: Gehüllt in ein gestreiftes Sporttrikot zwängte Kratz seinen gewaltigen Bauch von 1,41 Metern tatsächlich durch ein nur 30 mal 33 Zentimeter kleines Loch.
Wetter mit Chancen
Manchmal weiß Beate Weber, dass Wetten ganz sicher klappen werden. Oft aber weiß sie es auch nicht. "Natürlich lasse ich mir die Wettangebote von den Kandidaten zeigen", beschreibt sie, "denn es hätte keinen Sinn, jemanden in die Sendung zu nehmen, der überhaupt keine Chance hat." Doch selbst bei denen, die bei Tests und Proben sicher wirken, lösen sich alle Gewissheiten auf, sobald die Kameras laufen. "Das ist einfach nicht kalkulierbar", sagt Beate Weber, "oft reicht schon ein bisschen Aufregung, und die Wette ist verloren."
Josef Kratz ließ sich nicht aus der Ruhe bringen von Scheinwerfern und Zuschauern. Ein letztes "toitoitoi" von Beate Weber noch und dann quetschte der gelernte Schreiner seine Massen durch das Nadelöhr, als sei alles nur ein weiterer Test. Popstar Phil Collins musste zuschauen, wie seine Wette platzte. Sekunden später war Josef Kratz, der in der Nacht zuvor geträumt hatte, er werde stecken bleiben, "Gottschalks dickstes Ding": Ein Star für sechs Minuten, wie Beate Weber auch heute Abend in Halle einige zu bieten haben wird.